In Deutschland wachsen Vorbehalte in der Bevölkerung

Goodbye Willkommenskultur?

Für viele war es längst überfällig: Der Bundestag hat jetzt sein erstes Integrationsgesetz verabschiedet. Es soll die Integration von Flüchtlingen in Deutschland erleichtern. Zugleich sinkt jedoch die Zustimmung zur Willkommenskultur.

Autor/in:
Birgit Wilke
Sinkende Zustimmung zur Willkommenskultur / © Boris Roessler (dpa)
Sinkende Zustimmung zur Willkommenskultur / © Boris Roessler ( dpa )

Menschen, die den ankommenden Flüchtlingen winken, sie mit einem kleinen Care-Paket versorgen: Diese Bilder der engagierten Deutschen gingen vor einem knappen Jahr um die Welt. Vielerorts ist die Euphorie inzwischen einer Ernüchterung gewichen. Das belegt nun auch eine Studie.

Sinkende Umfragewerte zur Willkommenskultur

Nach der Umfrage der Universität Bielefeld und der Mercator-Stiftung, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, befürworten nur noch 28,2 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund die Willkommenskultur. Bei einer Befragung vor zwei Jahren waren es noch 36 Prozent.

"Die heftigen Debatten der letzten zwei Jahre scheinen ihre Spuren in der Wahrnehmung und den Meinungen der Bevölkerung hinterlassen zu haben", sagte Studienleiter Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Uni Bielefeld. Seine Studie "ZuGleich - Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit" basiert nach den Angaben auf zwei anonymen und repräsentativen Querschnitts-Befragungen während der Jahreswechsel 2013/2014 und 2015/2016.

Während bei der Befragung 2013/2014 noch fast 55 Prozent der Einheimischen sich darüber freuten, wenn sich immer mehr Migranten in Deutschland zu Hause fühlen, bejahen dies inzwischen nur noch 43,3 Prozent. Und nur noch 42,2 Prozent begrüßen es, dass Deutschland noch vielfältiger und bunter wird. Vor zwei Jahren waren es noch 47,2 Prozent.

Nach Ansicht der Wissenschaftler müsste die Willkommens- zu einer Ankommens- und Anerkennungskultur weiterentwickelt werden. Dazu sollten frühere Einwanderungsgenerationen stärker einbezogen werden, fordern sie.

Verabschiedung des ersten Integrationsgesetzes

Inwieweit die Politik nun die richtigen Rahmenbedingungen setzt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Ein wichtiger Schritt ist die Verabschiedung des ersten Integrationsgesetzes durch den Bundestag. Bereits an diesem Freitag soll es dem Bundesrat zur Entscheidung vorliegen.

Mit einem Maßnahmepaket soll damit die Integration von Flüchtlingen in Deutschland erleichtert werden. Unter anderem soll die Vorrangprüfung für drei Jahre ausgesetzt werden. Asylbewerber dürfen demnach künftig auch als Leiharbeiter beschäftigt werden. Auch will die Bundesregierung 100.000 Minijobs "in und um Aufnahmeeinrichtungen" schaffen. Diese sind nicht als feste Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisse gedacht, sondern als "niedrigschwelliger" Einstieg in die Arbeitswelt.

Integrationskurse sollen für alle Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive verpflichtend sein. Flüchtlinge, die Integrationsmaßnahmen ablehnen oder abbrechen, erhalten weniger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zugleich soll Asylbewerbern ein Wohnsitz zugewiesen werden, damit sich keine Ghettos bilden. Primär dürfen die Ankommenden nur im zugewiesenen Bundesland leben.

Fordern stehe zu sehr vor dem Fördern

Kritik kommt von der Opposition, aber auch von den Sozialverbänden. Für beide steht das Fordern zu sehr vor dem Fördern. Die Caritas kritisiert, dass es für Flüchtlinge schwieriger wird, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, da sie dafür künftig ihren Lebensunterhalt selbst sichern müssen. Auch fehle es weiter an Sprach- und Integrationskursen. Pro Asyl warnt davor, dass es im Gesetzentwurf Fallkonstellationen gebe, in denen Asylanträge als unzulässig gewertet würden. Auch rechnet die Organisation mit Chaos bei der Wohnortzuweisung.

Aber auch aus den Reihen der Koalition regt sich Unmut: Es fehlten etwa Maßnahmen für Flüchtlinge, die keine gute Bleibeperspektive haben, so die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Das Gesetz sei ein wichtiger erster Schritt, aber kein Schlusspunkt. Weitere Schritte müssten folgen.

Unterdessen bekommen aber auch die hauptamtlichen Flüchtlingshelfer das nachlassende Engagement von Ehrenamtlichen zu spüren. Damit sei aber auch zu rechnen gewesen, so eine Mitarbeiterin der Berliner Firma Tamaja, die die Flüchtlinge im ehemaligen Berliner Flughafen Tempelhof betreut. Es sei toll, wenn Hilfe aus der Bevölkerung komme. Aber der Rahmen müsse mit den Hauptamtlichen stehen.


Quelle:
KNA