Wolkenloser Himmel, klares Wasser. Eine Fahrt ins Blaue. Wer jetzt in den Urlaub fährt, sehnt sich nach Blau. Die Farbe steht für Weite und Frische, Horizont und Unendlichkeit. Der Sommerhimmel und blau funkelnde Fluten wecken himmlische Gefühle.
Blaue Wunder
Blaue Wunder aber gibt es auch andere: die mittelalterlichen Fenster der Kathedrale von Chartres beispielsweise, oder die von Marc Chagall geschaffenen Fenster der Stephanskirche in Mainz. Dass Blau als eine der vier Urfarben auf das Göttliche, Unendliche, Geistige verweist, lässt sich auch aus der mittelalterlichen Buchmalerei ablesen. So erscheint die Jungfrau Maria auf Gemälden oft in hell leuchtendem Blau.
"Blau - Bezeichnung für jede vom Gesichtssinn vermittelte Farbempfindung, die durch Licht einer Wellenlänge zwischen 440 und 485 Nanometer oder durch additive Farbmischung von Grün und Violett beziehungsweise subtraktive Mischung von Blaugrün und Purpur hervorgerufen wird" - so heißt es im Lexikon. Marketing-Experten äußern sich da überschwänglicher.
"Blau ist Geschmack" behauptete eine bayerische Molkerei in einer bundesweiten Werbekampagne. Die bayerischen Werbefachleute wollten "Dynamik, Reinheit und Fortschrittlichkeit präsentieren". Bestätigt wird diese Einschätzung von der Farb-Psychologie: Menschen, die Blau bevorzugen, seien "rastlos vorwärtsdrängend" und liebten die Klarheit, hat der auch als "Farben-Papst" bezeichnete Psychologe Heinrich Frieling festgestellt.
Färber machten "blau"
Blau war schon im Mittelalter eine häufig anzutreffende Farbe, denn es ist relativ leicht und günstig herzustellen. Wichtigste Grundstoffe waren der aus Indien stammende Indigo oder der etwas weniger intensiv färbende einheimische Färberwaid. Seine Blätter wurden in Kübeln mit menschlichem Urin und Alkohol vergärt. Dabei sprachen die Färber dem Alkohol auch selber fleißig zu. Zum Färben wurden die Stoffe meist sonntags für Stunden in das Färbebad eingetaucht und dann aufgehängt; erst an der Luft entwickelte sich die blaue Farbe. Immer wenn die Färbergesellen am Montag betrunken daneben lagen, war klar, dass blau gefärbt worden war: Die Färber waren "blau" und machten "blau".
Die Farbe der Jeans
Blau ist eine Allerweltsfarbe: Als 1873 der deutsche Auswanderer Levi Strauss zusammen mit Jacob Davis seine Goldgräberhosen mit Metallnieten in den USA zum Patent anmeldete, waren die Jeans geboren. Sie waren robust, haltbar - und blau. Ein Stoff und eine Farbe für alle, spätestens seit den 1960er-Jahren.
Blaues Blut des Adels
"Blaues Blut" dagegen steht für die vermeintliche Exklusivität des Adels. Vermutlich erklärt sich der Begriff dadurch, dass Adelige etwas bleicher waren als ihre Untertanen. Sie konnten es sich leisten, im Schatten zu ruhen, statt auf dem Feld zu arbeiten. Auf ihrer blassen Haut erschienen die Venen bläulich.
Etwa eine Million unterschiedliche Farben kann das menschliche Auge unterscheiden. Rund 50.000 bis 100.000 Farbnuancen dürften als Blau zu bezeichnen sein, schätzt der Normausschuss Farbe in Berlin. Von Himmelblau bis zum Preußischblau, vom Ultramarinblau bis zum Pariser Blau kennt die Farbpalette kaum eine Grenze.
Frostige Farbe
Gerade deshalb ist die Auswahl des rechten Farbtons ein Balance-Akt: "Blau ist die problematischste Farbe, die es gibt", warnt der Werbe-Manager Wolfgang Raczek. "Je dunkler, desto schwermütiger, und je heller, desto frostiger erscheint sie." Auch Harald Ackerschott, Wirtschaftspsychologe in Bonn, kann davon ein Lied singen. "Reines Blau ist eine kalte, technische Farbe, die man vor allem in großen Produktionsbetrieben oder Kernkraftwerken findet", unterstreicht er.
Raczek und Ackerschott hätten auch Goethe zitieren können: Der Meister beschrieb in seiner Farbenlehre die eigenartige Nähe des Blau zu den Extremen. Fast weiß strahlt es am Tageshimmel, fast schwarz schimmert es in der Nacht, und als Dunst verschleiert es das Wirkliche. Blau ist deshalb auch die Farbe des Dämonischen. Wer eine Fahrt "ins Blaue" unternimmt, fährt ins Unabsehbare. Und wer "ins Blaue hinein redet", spricht ins Ungewisse.