Flüchtlinge seit einem halben Jahr in Bremer Kirche

"Wir werden immer mehr eins"

Allen Bedenken zum Trotz hat eine katholische Gemeinde in Bemen ihre Kirchenbänke durch kleine Wohneinheiten ersetzt, in denen friedlich 40 Flüchtlinge zusammenleben. Über ihnen schwebt der Herr mit ausgebreiteten Armen.

Flüchtlingsunterkunft in katholischer Kirche / © Carmen Jaspersen (dpa)
Flüchtlingsunterkunft in katholischer Kirche / © Carmen Jaspersen ( dpa )

domradio.de: Der Altar ruht in einem Holzkasten, der Kreuzweg ist in ein Provisorium im Pfarrzentrum umgesiedelt, wo die Gemeinde Gottesdienste feiert - seit einem halben Jahr. Wie würden Sie jetzt die Situation von Gemeinde und Flüchtlingen beschreiben?

Johannes Sczyrba (Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Franziskus Bremen): Ich bin sehr glücklich über dieses Zusammensein von verschiedenen Kulturen, von verschiedenen Religionen und Konfessionen. Das, was sich bei uns entwickelt hat, ist mittlerweile fast ein Selbstläufer geworden. Der Caritasverband leistet hervorragende Arbeit, aber auch Mitglieder der Gemeinde, die mit bei der Versorgung der Flüchtlinge tätig sind. Die Kommunikation funktioniert wunderbar, die Gottesdienste laufen weiter. Wir werden immer mehr eins; das, finde ich, ist eine ganz tolle Sache. Spannend war vor allem, als vor kurzem das muslimische Zuckerfest gefeiert wurde, auf dem Gelände der evangelischen Christusgemeinde. Das zeigt, wie diese Sache von verschiedenen Elementen dieses Ortsteils hier im Bremen angenommen wird.

domradio.de: Bei Ihnen gab es aber auch kritische Stimmen gegen die Flüchtlingsunterkunft in der Kirche, auch weil manche Gemeindemitglieder Angst hatten, dass ihnen die Kirche dauerhaft weggenommen wird. Wie sieht es mit diesen Bedenken aus?  

Sczyrba: Die Bedenken gibt es natürlich immer wieder. Das ist auch klar. Natürlich machen wir uns Gedanken, wie es weitergeht. Wenn mal keine Flüchtlinge mehr in der Kirche sind, brauchen wir dann noch diese Größenordnung von 200 Sitzplätzen, wenn nur noch 20 Gläubige kommen? Das geht natürlich auch durch die Köpfe der Leute, das wissen die ja auch selber. Aber wir arbeiten an einem Konzept und gucken, dass wir auch in der Zukunft dort in der Kirche präsent werden. Die Kirche wird meines Erachtens nicht geschlossen.

domradio.de: Bei anderen Kirchen war die Situation der Sanitäranlagen ein Problem. Wie sieht es bei Ihnen aus? Kommen die Flüchtlinge zurecht?

Sczyrba: Die Flüchtlinge kommen sehr gut zurecht. Die senatorische Behörde sagt inzwischen, das sei das Schmuckkästchen der Flüchtlingsarbeit. Denn es ist eine relativ kleine Gruppe von 40 Personen dort zusammen, die Sanitäreinrichtungen sind in einem Innenhof gelegen. Das gibt natürlich auch schon mal Probleme mit den Nachbarn, das ist völlig klar. Wenn Fastenbrechen ist, wird abends gegessen, da gibt es dann auch eine Geräuschkulisse; aber damit leben wir eigentlich ganz gut im Augenblick.

domradio.de: Wie sieht das eigentlich aus? Die Kirchenbänke sind rausgeräumt und stattdessen stehen Betten in der Kirche?

Sczyrba: Nein, in der Kirche sind kleine Wohneinheiten mit Stellwänden aufgebaut, so dass unter Umständen eine Familie in einer eigenen Wohneinheit ist. In der Tat gibt es keine Bänke mehr, aber das Kreuz hängt groß an der Wand mit den ausgebreiteten Armen des Herrn. Das ist für mich faszinierend, jetzt auch Syrer und Paschtunen zusammen zu sehen. Das war am Anfang auch spannungsgeladen, kann man verstehen, aber mittlerweile ist das fast problemlos.

domradio.de: In einem knappen halben Jahr läuft der Vertrag für die Flüchtlingsunterkunft aus. Was geschieht danach?

Sczyrba: In diesem Sommer wird sich die senatorische Behörde darüber austauschen und entscheiden müssen, ob es vielleicht sogar noch ein weiteres Jahr so gehen kann. Keine Ahnung. Wir haben ja beidseitig Kündigungsmöglichkeiten, wenn also in der Gemeinde plötzlich eine Atmosphäre entsteht, wo wir sagen "das geht gar nicht", wird das wahrscheinlich auch ausschlaggebend sein. Aber das sehe ich im Augenblick überhaupt nicht.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Johannes Sczyrba, Pfarrer St. Franziskus, Bremen / © Ingo Wagner (dpa)
Johannes Sczyrba, Pfarrer St. Franziskus, Bremen / © Ingo Wagner ( dpa )
Quelle:
DR