domradio.de: Donald Trump hat überrascht, indem er schon am ersten Tag des Nominierungsparteitags der Republikaner in Cleveland aufgetreten ist. Sein Auftritt wurde erst am vierten und letzten Tag erwartet, wie es bei seinen Vorgängern üblich gewesen ist. Was bedeutet dieser Bruch mit der Tradition?
Prof. Godehard Brüntrup (Jesuit, USA-Kenner und Professor für Philosophie in München): Das bedeutet vor allen Dingen, dass er in einer Position der Schwäche ist. Es gab ja am Anfang schon starke Widerstände gegen ihn. Einige Delegierte wollten die Verfahrensregeln ändern, so dass man nicht mehr gezwungen sein sollte, sich an Trump zu binden und auch für andere hätte stimmen können. Um diesen Aufstand gleich niederzuschlagen, muss Trump nun Präsenz zeigen über die gesamte Veranstaltung hinweg. Dafür präsentiert er auch seine Familie. Es wird eine durchgehende Trump-Show.
domradio.de: Was würde ein Präsident Trump für die USA bedeuten in diesen unruhigen Zeiten?
Brüntrup: Wenn das irgendjemand wüsste, wäre es nicht so beunruhigend. Das Beunruhigende an Trump ist ja, dass man nicht weiß, wie er reagiert. Dass er keine klare politische Linie hat, seine Meinungen schnell wechselt, impulsiv ist, viele ihm weder charakterlich noch fachlich dieses Amt zutrauen. Die Aussicht ist unberechenbar. Es kann gut gehen, es kann aber auch grandios schief gehen.
Bei Clinton, die ja nicht sehr beliebt ist und auch nicht so talentiert ist, wie ihr Mann, weiß man ungefähr, wie es weitergeht. Da würde sich nicht viel ändern in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Trump ist einfach eine Risikokarte. Ein Mann, dem es vor allen Dingen um sich selbst, seine Selbstdarstellung, seine Macht geht. Wohin das führt, ist nicht vorhersagbar. Das ist auch die Unruhe, die viele Katholiken in den USA erfasst hat.
domradio.de: Mike Pence soll Vizepräsident werden. Warum hat Trump ihn auserkoren?
Brüntrup: Weil er ein traditioneller Tea-Party-Konservativer ist. Gerade die Konservativen in der Republikanischen Partei sagen ja, Trump sei gar kein richtiger Konservativer. Früher war er für Abtreibung, manche Ideen in der Sozialpolitik sind nicht konservativ, klingen manchmal sogar eher links. Die konservative Basis muss Trump irgendwie binden. Das versucht er mit Pence.
domradio.de: Wenn dieses Paar nun Präsident und Vizepräsident werden würde. Wie steht die katholische Kirche dazu?
Brüntrup: Die Frage ist eher, was die katholische Kirche für Trump bedeutet. Seit 1952 ist es keinem Kandidaten gelungen, Präsident zu werden, ohne die Mehrheit der Katholiken auf seine Seite zu ziehen. Davon ist Trump meilenweit entfernt. Clinton liegt unter den Katholiken sechs bis sieben Prozent vor ihm. Unter den Hispanics, die eine große katholische Gruppe bilden, liegt er 50 Prozent hinten. Die hat er komplett verloren. Unter diesen Bedingungen ist es äußerst schwierig für ihn Präsident zu werden. Pence hat sich mit dem Erzbischof von Indianapolis angelegt, weil die Kirche dort Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Pence wollte das aus Sicherheitsgründen nicht, war aber unterlegen. Also ist auch das Verhältnis von Pence zu den Katholiken sehr getrübt. Zudem hat Trump den Papst mehrfach regelrecht beleidigt, das ist wirklich eine schwierige Beziehung.
Aber natürlich sind die Katholiken zwar eine große Gruppe, wenn aber andere Gruppen mobilisiert werden, vor allem die bisherigen Nichtwähler, dann gelten die alten Regeln nicht mehr. Dann können auch Dinge passieren, die seit 1952 nicht mehr passiert sind.
Das Interview führte Silvia Ochlast.