Kriege, Kämpfe, Machtstreben, Unterdrückung, Ausgrenzung, Vertreibung, Folter, Verletzungen und Missbrauch von Menschen - im Laufe der Geschichte des Christentums und des Islams gab und gibt es immer wieder religiös motivierte Gewalt, auch gegeneinander. Zentralafrika und der Nahe Osten sind ein Beispiel dafür, wie brutal Anhänger verschiedener Religionsgemeinschaften gegeneinander vorgehen. Christen und Muslime bekämpfen sich regelrecht.
Doch woher kommt diese religiös motivierte Gewalt? Woher kommen Radikalisierung und Fanatismus? Wäre die Welt ohne Religion eine friedlichere? Darüber wird seit Jahren diskutiert und geforscht.
Gewaltforscher: Religion kann Menschenfeindlichkeit befördern
Andreas Zick untersucht mögliche Ursachen von Gewalt. Der Bielefelder Forscher sieht einen Zusammenhang von Religiosität und Menschenfeindlichkeit. Das sei auch statistisch belegt, sagte Zick am Samstag im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen". Eine Erhebung des von Zick geleiteten "Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung" (IKG)" an der Universität Bielefeld habe gezeigt, dass Menschenfeindlichkeit unter religiösen Menschen am größten sei, die ihre eigene Religion als "die einzig wahre" verstünden. Das seien etwa ein Viertel der sich als religiös bezeichnenden Menschen in Deutschland. Konkret zeigten sie überdurchschnittliche Neigung zu Homophobie, Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Islam- und Fremdenfeindlichkeit, so die Ergebnisse. Gewaltbereitschaft und Radikalisierung nehme zu, wenn Menschen das Vertrauen in den Staat, die Politik oder auch sich selbst verlören. In Deutschland sind das seiner Meinung nach die gut Situierten. Deshalb müsse man "in die Mitte der Gesellschaft" blicken, so der Konfliktforscher und immer wieder erklären, warum eine Demokratie schützenswert und wichtig sei.
Neben Radikalisierung ist auch häufig Fanatismus – also das Besessensein von einer Idee, Vorstellung oder Überzeugung – eine Quelle von Gewalttaten. "Wer glaubt, fundamentalistische Gewalt habe mit Religion nichts zu tun, erliegt einer Selbsttäuschung", sagte die Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi. Das sagte sie am Freitag in Salzburg. Gerade junge Menschen seien durch die gesellschaftlichen Umbrüche verunsichert. Einfache und schnelle Antworten suchten sie auch in der Religion.
Islamische Theologin: Fanatismus hat oft religiöse Wurzeln
Falsche Inhalte theologisch richtig zu stellen, reiche alleine nicht, sagte Mohagheghi, die am Seminar für Islamische Theologie der Universität Paderborn lehrt. Es sei ebenso wichtig, sich die Ursachen, warum junge Menschen anfällig für kurzschlüssige religiöse Antworten werden, genauer anzusehen. Vor zehn Jahren hat die Bertelsmann-Stiftung "Religiöser Fanatismus" untersucht. Das Ergebnis ging damals schon durch die Medien. Religiöser Fanatismus sei nicht die Hauptursache von politischer Gewalt und Terror, sondern Armut, ethnische Spaltung, Staatsschwäche, Mängel des politischen Systems und externe Intervention. Aus Fundamentalismus spreche stets ein Bedürfnis nach Sicherheit und Selbstbestätigung, erklärte die Theologin. "Es sind Menschen, die das Gefühl haben, den Boden unter den Füßen zu verlieren." Sie bezeichnet Fundamentalismus als eine "Fluchtbewegung in Gewissheit". Diese Menschen nähmen dann sogar in Kauf, dass sie sich vermeintlichen Autoritäten unterwerfen -"aus purer Angst vor dem Verlust der neu gewonnenen Gewissheit". Dies sei auch bei den Kämpfern der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu beobachten.
Theologisch gesehen, müsse offen thematisiert werden, dass etwa islamische Quellen tatsächlich eine "Sprache der Gewalt" kennen würden, so Mohagheghi. Eine fundamentalistische Auslegung blende jedoch den jeweiligen Zusammenhang der Texte aus und fokussiere ausschließlich auf diese Aussagen. Indem Fundamentalisten außerdem das diesseitige Leben radikal abwerteten, legitimierten sie gleichsam theologisch Gewalt in der Welt. Wird eine religiöse Tradition in dieser Form missbraucht, könne dies Zündstoff für Fanatismus werden, sagte die Religionswissenschaftlerin bei den "Salzburger Hochschulwochen".