Der verdreckten olympischen Segelbucht in Rio geht das Leben aus

Erst verschwinden die Delfine, dann die Fischer

Die verdreckte Guanabara-Bucht ist für Rio de Janeiros Bewohner die wohl größte Olympia-Enttäuschung. Die Segler werden notgedrungen um den Müll herumsteuern - doch für die Fischer gibt es kaum Zukunft.

Autor/in:
Thomas Milz
Guanabara-Bucht / ©  Antonio Lacerda (dpa)
Guanabara-Bucht / © Antonio Lacerda ( dpa )

"Schau mal, es ist mehr Müll im Netz als alles andere." Alex Sandro Santos, Präsident der Fischervereinigung von Tubiacanga, steht an dem wackeligen Holzpier inmitten einer braunen Brühe. "Olympia hat für die Guanabara-Bucht nichts gebracht." Dabei sollte die riesige Bucht, an der rund zehn Millionen Menschen leben, zu Olympia endlich gesäubert werden.

Als Gott die Guanabara-Bucht schuf, war er äußerst inspiriert, sagt ein brasilianisches Sprichwort. Tatsächlich bilden die rund um die Bucht gelegenen Hügel und Berge ein spektakuläres Szenario. Die Olympia-Segler schwärmen von dieser Kulisse, sie sei einmalig. Einmalig sei leider auch die schlechte Wasserqualität, sagten sie nach den ersten Olympia-Tests. Nun habe man sich an die Bedingungen gewöhnt, sei immun gegen Krankheiten und umschiffe den Müll, so der sarkastische Tenor kurz vor Olympia.

Riesige Mengen an Müll landen im Meer

Rios Stadtobere beten derweil, dass es während der Olympischen Spiele bloß nicht regnet. "Denn sonst verwandelt sich das alles hier in ein Meer aus Müll", so der Fischerpräsident Sandros, dessen Dorf auf der Ilha-do-Governador-Insel direkt neben dem Internationalen Flughafen liegt. Wenn es regnet, strömen über die großen und kleinen Zuflüsse der Bucht riesige Mengen an Müll herein, achtlos weggeworfen von den Bewohnern. Kühlschränke, Plastikflaschen, Sofas und tote Tiere - alles Mögliche und Unmögliche treibt im Wasser. Dazu kommen die Abwässer von 10 Millionen Menschen und 14.000 Industriebetrieben. Jede Sekunde fließen 18.000 Liter ungeklärtes Abwasser in die Bucht. Wer nebenan auf dem Flughafen ankommt, riecht es sofort.

Immer weniger Fische gebe es in den Gewässern der rund 400 Quadratkilometer großen Bucht, sagt Sandros. Seit einem Ölunfall im Jahr 2000 seien die Bestände drastisch zurückgegangen. "Wir finden immer noch Ölrückstände von damals." Schon kurz nach dem Vorfall gab es Milliarden schwere Säuberungsprogramme. Doch die Investitionen sind verpufft, die Gelder versickert, verschwunden. Die Politiker hätten kein Interesse daran, diese Geldmaschine zu stoppen. "Je dreckiger, desto mehr Geld wird weiterhin hierher fließen", sagt Sandros. Ein Teufelskreis der Korruption sei es. Und eine Tragödie für Fauna und Flora. "Der Guyana-Delfin, der das Wappentier von Rio de Janeiro ist, geht hier gerade zugrunde." Von einst 800 Exemplaren leben nach neuesten Untersuchungen nur noch 33. Gehe es in dem Tempo weiter, werde er bald ganz verschwunden sein, so Sandros. Vor einigen Monaten wurde bereits das Verschwinden der Seepferdchen gemeldet. Die voranschreitende Besiedlung der Ufer hat die Mangroven dezimiert, die noch als natürlicher Filter dienen. 30 Prozent sind noch vorhanden, Tendenz fallend.

Öko-Boote und Auffangnetze im Einsatz

Um den gröbsten Müll einzufangen, hat die Landesregierung an den Zuflüssen Auffangnetze gespannt. Zudem durchsiebt ein Dutzend Öko-Boote die Gewässer. Doch von dem Versprechen, bis Olympia 80 Prozent der Bucht und der Abwässer zu reinigen, ist man weit entfernt. Derzeit würden rund 25 Prozent der Abwässer geklärt, so Experten. Wütend bezichtigte Rios Bürgermeister die Landesregierung vor wenigen Wochen, keines ihrer Versprechen zu Olympia eingehalten zu haben, weder die Reinigung der Bucht noch der Lagunen, auf denen auch Medaillen vergeben werden.

Zwar wurden neue Klärwerke gebaut. Doch rund um die Bucht sind rund 1,7 Millionen Haushalte nicht an die Kanalisation angeschlossen, so dass die Klärwerke erst gar nicht in Aktion treten können. Mindestens 10 Milliarden Euro müssten hier investiert werden. Doch der Bundesstaat Rio de Janeiro mit seiner gleichnamigen Hauptstadt ist pleite - ohne Aussicht auf eine substanzielle Verbesserung in den kommenden Jahren.

Für die Fischer von Tubiacanga sind die Aussichten ebenso düster, der Lebensunterhalt sei kaum noch zu decken, sagt Sandros. Er selbst hat sich bereits einen Nebenjob gesucht. Vor wenigen Tagen haben sie eine Protestaktion gestartet, zahlreiche Fernsehteams fuhren mit ihnen durch die Bucht, "SOS Guanabara" hatten sie auf Transparente geschrieben. Nach Olympia wird die Aufmerksamkeit der Weltpresse nachlassen, befürchten die Fischer. Der Dreck aber wird bleiben.


Quelle:
KNA