Der katholische Theologe Massimo Faggioli von der University of St. Thomas im US-Bundesstaat Minnesota wählt einen Umweg, sein Unbehagen über das Schweigen der Kirche auszudrücken. Er zieht eine Parallele zu seiner Heimat Italien, wo die Bischöfe Ministerpräsident Silvio Berlusconi bis kurz vor sein politisches Aus 2011 ungeschoren davonkommen ließen. "Das Hinausschieben einer Zurückweisung Berlusconis durch die italienischen Bischöfe hat beachtlichen und anhaltenden Schaden für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in Italien hinterlassen", meint Faggioli. Er findet "bemerkenswert", dass die US-Bischöfe "die Botschaft Donald Trumps in diesem Wahlkampf nicht angesprochen haben".
Zurückhaltung der Bischöfe
Tatsächlich verlautete aus der Zentrale der Bischofskonferenz in Washington bislang wenig zu den anhaltenden Provokationen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Auch diesmal nicht, als Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Wilmington/North Carolina auf ein mögliches Attentat auf die demokratische Konkurrentin Hillary Clinton anspielte.
Trumps Äußerungen stießen auf Empörung über die Parteigrenzen hinweg, weil er damit die etablierten Regeln der Zivilgesellschaft in Frage stelle. Eine Kriminalisierung politischer Gegner oder gar der Flirt mit Gewalttaten gelten als Kennzeichen demokratisch unterentwickelter Gesellschaften. Gewiss entsprechen sie nicht den Grundsätzen der katholischen Soziallehre. Oder, wie der "National Catholic Reporter" in einem Kommentar schreibt: "Donald Trump hat die Grenze von überzogen hin zu unakzeptabel überschritten." Das einflussreiche Blatt listet auf: "Trump hat Frauen beleidigt, Mexikaner, Muslime, Menschen mit Behinderungen und die Eltern eines Offiziers, der in Irak ums Leben kam, während er andere Soldaten schützte."
Faggioli: "Zeit, Kandidatur klar zurückwzuweisen"
Solche verbalen Ausfälle mit Dingen gleichzusetzen, die Hillary Clinton falsch gemacht habe, sei eine irrige Gleichsetzung, heißt es weiter. Es sei an der Zeit, Trumps Kandidatur "klar und unmissverständlich zurückzuweisen". Ein Appell, den die Zeitung zwar an die republikanische Parteiführung richtet, der aber auch als innerkirchliche Kritik verstanden werden kann.
Während intellektuelle Schwergewichte aus der katholischen Rechten der USA wie George Weigel oder Robert George klar Stellung gegen Trump bezogen haben, kultivieren andere eine Ambivalenz. Ende Juli setzte sich der Chef der "Kolumbusritter", Carl Anderson, auf den heißen Stuhl, als er forderte, Katholiken dürften keine Kandidaten wählen, die für Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen eintreten. Es sei Zeit, "die Verwicklungen von Katholiken mit Abtreibungstöten zu beenden". Die Glaubwürdigkeit des dreimal verheirateten Trump, der seine Meinung zu Abtreibung erst vor nicht allzu langer Zeit geändert hatte, stellte Anderson nicht in Frage.
Beweggründe für Schweigen unklar
Warum die US-Bischöfe zu Trump schweigen, ist unklar. Gleichzeitig kritisieren sie den amtierenden katholischen Vizepräsidenten Joe Biden, weil dieser einer zivilen Ehe-Zeremonie für ein gleichgeschlechtliches Paar vorstand. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Kurtz aus Louisville/Kentucky, Erzbischof Thomas Wenski aus Miami und Bischof Richard Malone aus Buffalo sprachen von einem "Gegenzeugnis statt einem gläubigen, das in der Wahrheit begründet ist".
Kritische Katholiken wie der Theologe Faggioli fragen sich, wann die Kirche mit solcher Klarheit auch zu Trump spricht. "Vielleicht warten sie auf eine Sommer- oder Oktoberüberraschung, hoffen, dass Trump aufgibt und durch jemand anderen ersetzt wird", spekuliert Faggioli. "In jedem Fall haben sie eine Gelegenheit verpasst, bei diesen Wahlen zu zeigen, dass sie verstanden haben, was in ihrem Land oder bei ihrer Herde los ist."