domradio.de: Sie kommen beide aus der gleichen Siedlung und haben beide den gleichen Weg des Priestertums eingeschlagen, in der Kindheit waren sie noch nicht befreundet, oder?
Pfarrer Franz Meurer (Gemeinde Höhenberg-Vingst): Ich bin genau fünf Jahre älter, mein Bruder war mit Woelki in einer Schulklasse. Für mich war das immer der Kleine. Ich gratuliere an dieser Stelle ganz herzlich, denn der Rainer, wie man bei uns in der Bruder Klaus Siedlung sagt, macht ja den Job des Bischofs. Das ist schwierig, er muss beides darstellen: Vielfalt und Einheit. Das heißt Leitung heute. Er hat es viel komplizierter als wir Indianer an der Basis. Wir leben die Vielfalt, er steht für die Einheit.
Ich habe immer mit Interesse verfolgt, was aus ihm wird. Aus unserer Siedlung sind 11 Priester hervorgegangen. Die behält man im Auge.
domradio.de: Ein großes Anliegen des Erzbischofs ist die Sorge um die Flüchtlinge. Da bringt er eigene Erfahrung mit, oder?
Meurer: Ja, er kommt aus einer Flüchtlingsfamilie. Aber das ist nicht der Grund, so einfach macht sich das ein intelligenter Mann wie der Rainer nicht. Natürlich müssen wir für Flüchtlinge eintreten. Aber ich habe ihm auch den Rat gegeben, dass wir dringend weiter etwas für kinderreiche Familien tun müssen, sonst wählen die am Ende die AfD. Der Kardinal steht für eine Diskussionskultur in der Kirche. Das ist heute wichtig. Damit man nicht den Eindruck bekommt, die Kirche werde nur von oben geleitet. Nein, Bewegung und Vielfalt ist konstitutiv für die Kirche. Wir glauben an den dreifaltigen Gott, das bedeutet, es ist immer was los. Und trotzdem ist diese Dreifaltigkeit und Vielfalt nicht Grund der Trennung sondern Grund der Einheit. Das ist der tiefste theologische Grund für die moderne Führung, die der Kardinal an den Tag legt. Er weiß, Vielfalt und die Bewegung gehören zu Kirche. Paulus sagt: "Christen sind die Anhänger des Weges." Und der Kardinal ist immer in Bewegung, nicht nur auf die Flüchtlinge zu, sondern auf alle Menschen zu.
domradio.de: Das traut sich aber auch nicht jeder, dem Kardinal einen Rat zu geben.
Meurer: Hören Sie mal, das ist aber ein Bild von Kirche, das ist 50 Jahre alt! Wenn wir uns nicht trauen, als Mitrarbeiter der Kirche oder auch als Laien, als Volk Gottes, uns offen auszutauschen, dann gehen wir vom Markt. Dann sind wir überflüssig wie ein Kropf. Denken Sie an die Kirche, die Rainer und ich als Kinder erlebt haben. Wie da z.B. die Beichte gehört wurde! Da würde ich mich weigern. Beichte muss ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung sein, man darf doch keine Furcht haben! Ein bisschen Angst ist ok, klar, wenn es Ernst wird. Das ist aber nur ein Beispiel. Und dafür steht der Rainer Woelki. Und das ist unser Glück im Erzbistum. Er ist urkatholisch und er weiß, es ist Bewegung nötig. Ich selber hätte es ja gerne, wenn es in der Frage "Ämter für Frauen" ein bisschen schneller weitergeht, aber ich bin ja nicht der Bischof.
Eins allerdings finde ich schade: Das Schwimmbad im Priesterseminar ist geschlossen. Wenn man 60 ist, muss man sich auch physisch bewegen. Ich gehe fast jeden Morgen schwimmen. Sonst muss er Rad fahren. Mein Tipp zum Geburtstag ist: Beweg dich, Jung! In Kölle säht man: Man is mit 60 Johr schon joot affjehange....
Das Interview führte Daniel Hauser. Empfehlung der Redaktion: Hier das Interview hören.