Die Studienplätze sind heiß begehrt und werden zudem von großzügigen Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdiensten DAAD unterstützt. Das Lehrangebot ist auf höchsten Niveau, freilich auch sehr fordernd.
Renommierte Theologieprofessoren deutschsprachiger Universitäten reisen gerne zu ein- bis zweiwöchigen Blockveranstaltungen auf den Zionsberg. Dort hat das "Studienjahr Jerusalem" seit 1973 auf dem Gelände der Benediktinerabtei Dormitio am Rand der Altstadt seinen Sitz. Am Montag wurde das 43. Studienjahr eröffnet.
16 Theologiestudierende - etwas weniger als in Vorjahren - beginnen diesmal das zweisemestrige Studium: elf Frauen und fünf Männer, sieben Katholiken und neun Protestanten aus Deutschland (15) und der Schweiz (1). Sie haben ein hartes Auswahlverfahren beim DAAD hinter sich.
Das Jerusalemer Studienjahr gilt als Eliteschule. Gefordert sind neben Sprachkenntnissen in Althebräisch und Griechisch vor allem bibeltheologische Themen, aber auch die Zeitgeschichte Israels und des Nahen Ostens.
Lern- und Lebensgemeinschaft
Acht Monate lang, für zwei Semester, werden die Studierenden im Gästehaus Beit Josef neben dem imposanten Turm der Dormitio-Kirche in einer Lern- und Lebensgemeinschaft zusammenwohnen, und zwar unter einem Dach mit der Studienleitung und ihren Professoren - und in engem Kontakt mit der benachbarten Abtei. Auf dem Studienplan stehen vor allem Exegese des Alten und des Neuen Testaments sowie biblische Archäologie.
Dazu kommt Ostkirchenkunde - nirgendwo sonst bietet sich der Kontakt zu so vielen christlichen Kirchen wie in der Heiligen Stadt. Auch Judaistik und die Begegnung mit dem Judentum spielen eine zentrale Rolle, ebenso der Kontakt zum Islam. Die Teilnahme an den Vorlesungen, Seminaren und Gastvorlesungen ist Pflicht. Jeder Teilnehmende muss zwei Referate halten.
Zu den Highlights zählen drei große Exkursionen. Die früher übliche Sinai-Reise ist aus politischen Gründen derzeit nicht möglich. Stattdessen sollen die Studierenden bei einer mehrtägigen Wanderung im südjordanischen Wadi Rum Wüstenerfahrung sammeln. Hinzu kommen Exkursionen in Galiläa sowie zu Stätten der Kreuzfahrer. Ziel ist es, das Land Jesu und der Bibel gründlich kennenzulernen. Auch in der Auseinandersetzung mit der modernen Archäologie, vor der manche romantischen Bilder nicht standhalten.
Salzburger Theologe neuer Studiendekan
Neuer Studiendekan und akademischer Leiter ist der Salzburger Theologe Ulrich Winkler. Er hat sich für zwei Jahre von seinem Amt als Professor für Systematische Theologie freistellen lassen. Winkler hat bereits Auslandserfahrung; er war für ein halbes Jahr an der Harvard-Universität. Er selbst hat das 10. Studienjahr absolviert - und erinnert sich gerade an die abendlichen Gespräche und die unkomplizierten Begegnungen mit den Professoren, die ihm kaum weniger wichtig waren als die Lehrveranstaltungen.
Besonders schätze er die "Labor-Situation" in Jerusalem, sagt er im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Studienjahr könnten angehende katholische und evangelische Theologen institutionell zusammen studieren - was nirgends sonst möglich ist.
Besonderer Lernort
Er habe sich nicht aus romantischer Erinnerung an das Land um die Leitung des Studienjahres beworben oder um sich irgendwelche Kinderträume zu erfüllen, sagt der 55-jährige Oberösterreicher. Ihn freue die Aufgabe, Studierende begleiten zu können - und zwar nicht nur als Lehrer, der im Hörsaal Vorlesungen hält und Prüfungen abnimmt. "Lernen und Studieren hat viele Dimensionen, die über das Akademische und Wissenschaftliche hinausgehen", lautet sein Credo.
Man müsse sich der großen Herausforderung des Lernens selbst stellen, den Begleitrahmen hinterfragen und sich als Lerngemeinschaft begreifen. Winkler sagt, der damalige Studienaufenthalt habe sein Leben stark geprägt: Jerusalem mit den vielfältigen Herausforderungen des Landes, des Politischen, der Begegnung mit dem Judentum wie mit dem Islam. "Jerusalem ist ein konzentrierter, ein besonderer Lernort" - den er jetzt neu erleben und begleiten möchte.