Zwischenbilanz der "Aktion Neue Nachbarn" im Erzbistum Köln

"Bedarf gibt es immer noch"

"Wir schaffen das!" – gut ein Jahr ist der Spruch von Kanzlerin Merkel zur Flüchtlingslage nun her. Seitdem ist einiges passiert und viele Menschen haben zur Krisenbewältigung angepackt – auch im Erzbistum Köln über die "Aktion Neue Nachbarn".

Kardinal Woelki besucht eine Flüchtlingsunterkunft / © domradio (DR)
Kardinal Woelki besucht eine Flüchtlingsunterkunft / © domradio ( DR )

domradio.de: Was sagen Sie heute? Schaffen wir das?

Klaus Hagedorn (Koordinator der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln): Ich glaube, das stimmt noch. Ich bin selber überrascht davon, wie groß das Engagement der Menschen in den Gemeinden und in den Flüchtlingsinitiativen ist und sehe, dass es ungebrochen ist.

domradio.de: Keine Veränderung also?

Hagedorn: Doch, es gibt schon Veränderungen. Es gibt Veränderungen in den Inhalten der Arbeit, es gibt Menschen, die sich ein Stück weit ausgepowert haben und in dem Maße nicht mehr weiter machen wollen. Dafür kommen dann andere, neue Leute dazu, die entsprechend ihrer Fähigkeiten einspringen.

domradio.de: Inwiefern haben sich die Aufgaben und Umstände geändert?

Hagedorn: Im letzten Jahr ging es sehr stark darum, Menschen mit Kleidung zu versorgen, eine Unterbringung zu realisieren und Vergleichbares mehr. Jetzt geht es darum, wie wir die Kinder in den Schulen begleiten, wie wir Hausaufgabenhilfen organisieren, wie wir Menschen dabei begleiten können, einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Es sind also alles Themen, die nun stark mit der Integration zu tun haben.

domradio.de: Da ist damals viel Geld bereitgestellt worden - eine Million Euro. Ist da noch etwas von übrig oder musste noch mehr investiert werden?

Hagedorn: Von dieser einen Million Euro ist nichts mehr übrig. Aber wir haben den guten Rückhalt im Erzbistum Köln, dass wir immer wieder die Möglichkeit bekommen, die notwendigen Dinge zu finanzieren. Insofern ist dieser Fond aufgestockt worden.

domradio.de: Gibt es Erfolge oder konkrete Beispiele der Hilfe, die Sie nennen können?

Hagedorn: Wir haben tolle Projekte aufgebaut. Dazu zählt beispielsweise, dass wir im Bereich "Arbeitsmarkt" Jobpatenprojekte initiiert haben. Im Moment engagieren wir uns verstärkt in den Segmenten Kreativität und Kunst. Wir versuchen gemeinsam mit Flüchtlingen, ein Stück Kultur in den Alltag mit hineinzubringen. Da gibt es auch ein schönes Projekt in der Thomas-Morus-Akademie in Bonn, wo über mehrere Tage sehr intensiv mit Holz gearbeitet wird.

domradio.de: Gibt es auf der anderen Seite auch manchmal Probleme, an denen man verzweifelt und sich sagt, das muss demnächst anders laufen?

Hagedorn: Ja, das gibt es natürlich auch. Aber das gehört ja zu unserer Philosophie und unserer Idee dazu. Wir finanzieren beispielsweise mit dem Flüchtlingsfond Ideen und keine fertigen Konzepte. Dann gelingt manches nicht immer. Aber das nehmen wir auch in Kauf, und dann kommt schon wieder eine neue Idee. Die Leute an der Basis, in den Gemeinden und Initiativen wissen immer, wir vom Erzbistum stehen hinter deren Ideen und fördern diese, wo wir nur können.

domradio.de: Das klingt nach einem realistischen "Wir schaffen das". Woran fehlt es denn im Moment noch, wenn sich vielleicht jemand überlegt, Sie zu unterstützen?

Hagedorn: Bedarf gibt es immer. Wir erleben, dass sich die Menschen viel mehr entsprechend ihrer eigenen Kompetenzen und Interessen engagieren wollen und da gibt es immer neue Betätigungsfelder. Viele Leute bringen ihre neuen und eigenen Ideen ein. Was im Moment sehr stark fehlt, sind Übersetzungshilfen. Wenn Menschen Sprachen sprechen, die Flüchtlinge auch verstehen, dann können wir jede Menge Leute gebrauchen.

domradio.de: Da meldet man sich im Internet unter der "Aktion Neue Nachbarn" an?

Hagedorn: Genau. Wir haben die Homepage "Aktion Neue Nachbarn". Wir haben zudem eine Flüchtlingshotline, die man anrufen kann. Es gibt die Möglichkeit, sich über Mail zu melden oder über die Facebookseite "Neue Nachbarn Netzwerk". Die Möglichkeiten sind also da.

Das Interview führte Verena Tröster.


Klaus Hagedorn (kfd)
Klaus Hagedorn / ( kfd )
Quelle:
DR