Bischof Genn fordert sensiblen Umgang mit Kirchenasyl

Genau hinschauen

Die zwischenzeitliche Abführung eines ghanaischen Flüchtlings aus dem Kirchenasyl eines Münsteraner Klosters schlägt Wellen. Geschockt zeigte sich der Bischof von Münster, Genn, der im Interview eine Aufarbeitung des Vorgangs fordert.

Bischof Felix Genn im Dialog / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Felix Genn im Dialog / © Harald Oppitz ( KNA )

Pressestelle des Bistums Münster: Sie haben mit Entsetzen auf die Abführung des Flüchtlings aus dem Kapuzinerkloster in Münster reagiert. Warum hat Sie das so betroffen gemacht?

Bischof Felix Genn (Bischof von Münster): Da wird ein Mann aus einem Kloster weggeschleppt, der sich auch dagegen wehrt und das Bewusstsein hat, dass es mit dem "Arbeitskreis Asyl" eine Gruppe von Menschen gibt, die ihm helfen wollen, möglicherweise einen Aufschub von der Abschiebung oder gar ein Bleiberecht zu bewirken. Plötzlich, gegen Ende des Verfahrens, kommt man und führt ihn aus dem Kloster ab, obwohl gar keine Fluchtgefahr besteht und die Dinge eigentlich zu einem Abschluss gekommen sind. Da geht es um das Schicksal eines Menschen. Da kann man nur mit Entsetzen reagieren.

Pressestelle des Bistums Münster: Was bedeutet das jetzt? Was kommt jetzt?

Genn: Wir müssen nun genau schauen, wer die Verantwortung hat und was hier falsch gelaufen ist. Wir müssen sehen, was man hätte besser machen können und was das für die Zukunft des heiklen Themas Kirchenasyl bedeutet.

Pressestelle des Bistums Münster: Wie genau sehen Sie die Zukunft des Kirchenasyls?

Genn: Was ich bisher von unseren Kirchengemeinden erlebt habe, ist ein höchstsensibler, höchstverantwortungsvoller und höchstachtsamer Umgang mit diesem Thema. Deshalb ist dieses Instrument des Kirchenasyls nicht einfach etwas, das man jetzt aufgrund einer Situation, wie sie im Kapuzinerkloster leider geschehen ist, infrage stellen sollte. Ich möchte auch darum bitten, dass man diesen einen Fall nicht zu hoch spielt. Ich denke, dass wir als Kirche zwar keinen rechtsfreien Raum beanspruchen können, dürfen und sollen, aber andererseits es menschliche Situationen gibt, die nicht immer ganz genau den Buchstaben des Gesetzes entsprechen. Deswegen sollte es zumindest erlaubt sein, Situationen genauer anzuschauen, ob ein betroffener Mensch doch eine Aufschiebung erfahren könnte, indem man Rechtsmittel einsetzt oder Dimensionen beispielweise der Gesundheit oder der Gefährdung in der Zukunft prüft und dann schaut, ob sich doch noch rechtlich etwas machen lässt oder man sagen muss, dass tatsächlich eine Abschiebung gerechtfertigt ist.

Pressestelle des Bistums Münster: Der Papst hatte das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Jetzt haben wir die Geschichte mit dem Kirchenasyl, das letztendlich durch einen solchen Fall nun angekratzt wird. Inwiefern sind Christen denn gefragt, auch barmherzig gegenüber Flüchtlingen zu sein?

Genn: Die Barmherzigkeit zeigt sich nicht unbedingt in der Zulassung des Kirchenasyls. Das ist nur eine extreme Möglichkeit für Einzelfälle. Das muss auch noch einmal deutlich gemacht werden. Die Barmherzigkeit erstreckt sich aber in der Breite auch durch das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger all den Menschen gegenüber, die nicht "aus Jux und Dollerei" aus ihren Heimatländern kommen, sondern die wirklich in einer Notsituation sind. Da bereitet es mir schon Kummer, wie Bürgerinnen und Bürger abschottend reagieren. Es wäre schon barmherzig, wenn diese Abschottung abgelegt würde und eine Umkehr stattfinden könnte.

 

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