Das Foto ist in jeder Beziehung ungewöhnlich. Schon weil weder in Israel noch in den USA jemals ein Presseerzeugnis der Ultraorthodoxen eine Frau abgebildet hat. Texte über die demokratische Präsidentschaftkandidatin Hillary Clinton illustriert wahlweise mit Aufnahmen ihrer Wahlplakate, des Weißen Hauses, Vizepräsidentschaftkandidat Tim Kaine oder Ehemann Bill illustriert.
So verlangt es die Tradition der gottesfürchtigen Haredim, die im Alltag strikte Geschlechtertrennung leben. Die ganz in Schwarz gekleideten Männer teilen mit den Frauen in langen Röcken und Kopfbedeckung nicht mal denselben Bürgersteig. Physische Nähe zu einer nicht verwandten Frau gilt als unnötige Versuchung, die gegen das religiöse Gesetz ist.
Fünf Finger und etwas Haar
Entsprechend strikt handhabt die ultraorthodoxe Presse die Präsenz des Weiblichen auf ihren Seiten. Sie findet nicht statt - bisher jedenfalls nicht. Dass die bei den Haredim einflussreiche New Yorker Wochenzeitung "Yated Ne'eman" nun ausgerechnet bei der linken Hillary Clinton so etwas wie eine Ausnahme macht, finden rechtgläubige Leser des Blatts "traurig".
Dabei ist von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin auf dem Foto kaum etwas zu sehen. Vielmehr haben die Layouter des Blatts nicht viel mehr als Hillarys erhobene Hand mit fünf abgespreizten Fingern und einen Hauch von Haar gezeigt, die hinter einem Rednerpult mit den Worten "Stronger Together" (Stärker gemeinsam) hervorlugen.
Photoshop retuschiert Frauen raus
Yair Ettinger von der linksliberalen israelischen Zeitung "Haaretz" twittert provokativ: "Hey Yated Ne'eman, was macht ihr, wenn Hillary wirklich gewinnt? Druckt ihr dann vier Jahre lang Bill?" - Worauf der Kollege des ultraorthodoxen Blatts, Beni Rabinovich,
zurückzwitschert: "Wir verfolgen eine klare und eindeutige Linie bei dem Thema". Ettinger möge sich den Kopf darüber nicht zerbrechen - "wir kriegen das schon geregelt".
Bislang ging das im Zweifel mit Photoshop-Software, die problemlos Frauen aus Bildern herausretuschiert. Das ist eine Spezialität der Haredim-Presse, die davor im Namen des göttlichen Gesetzes selbst bei historischen Dokumenten nicht zurückschreckt.
Merkel und Clinton rausgeschnitten
Das passierte zum Beispiel mit dem Foto vom Trauerzug für die Opfer des "Charlie Hebdo"-Anschlags in Paris. Die ultraorthodoxe israelische Zeitung «Hamevaser» entfernte Angela Merkel aus der Phalanx der untergehakten Staats- und Regierungschefs. In dem manipulierten Bild marschierte nicht die deutsche Kanzlerin, sondern ausgerechnet Palästinenserpräsident Mahmud Abbas neben dem Franzosen Francois Hollande.
Auch Clinton fehlte schon mal auf einer historischen Aufnahme. 2011 befand die jiddische Publikation "Di Zeitung", die Außenministerin habe nichts auf dem Bild aus dem Lageraum des Weißen Hauses während der Kommandoaktion gegen Osama bin Laden zu suchen.
Kreativität gefordert
Das würde bei einer Wahl Hillarys ins Weiße Haus nun zweifelsohne sehr viel schwieriger werden. Eine Amtseinführung der Präsidentin ohne ein Bild von ihr, eine «State of the Union»-Rede im Kongress oder ein Staatsbesuch in Israel: Die Kreativität der Blattmacher wäre bis aufs Äußerste gefordert.
Yitzchok Frankfurter vom ebenfalls in New York erscheinenden Wochenmagazin "Ami" hofft, dass der ultraorthodoxe Rabbinerrat, der die publizistische Aufsicht über die Blätter ausübt, die bisherigen Vorgaben überdenkt. Es sei wichtig "für uns als Juden, die Bürger der USA, und als Juden, die Freunde Israels sind», dass «die Exekutive der US-Regierung nicht ausgeblendet wird".
Diskussion entfacht
Die Diskussion, wie mit einer Präsidentin Hillary Clinton in den Spalten der Haredim-Presse verfahren werden soll, hat durch die Entscheidung von "Yated Ne'eman" Flügel erhalten. Vielleicht sehen deren Leser mit einer Präsidentin im Weißen Haus dann tatsächlich mehr als eine Hand und ein Hauch von Haar.