Unter dem Motto "Gegen Diktatur und für Gleichbehandlung" haben sich am Samstagvormittag Kurden aus ganz Deutschland zu einer Großkundgebung in Köln versammelt. Zu der Veranstaltung am Rheinufer in Köln-Deutz wurden bis zum Abend etwa 30.000 Teilnehmer erwartet.
Der Protest richtete sich gegen die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. Dazu aufgerufen hatte unter anderen die Vereinigung Nav-Dem (Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurden in Deutschland). Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort und kündigte an, gegen "verbotene Propaganda" einzuschreiten. Bis zum Mittag blieb es auf dem Kundgebungsgelände friedlich, wie ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.
Türkei im Krieg
Die Veranstalter warfen Erdogan zu Beginn der Großkundgebung "diktatorisches Vorgehen" in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch vor. "Weder Militärputsch noch AKP-Diktatur", hieß es auf einem Großtransparent. Die Teilnehmer wandten sich auch gegen den nach wie vor geltenden Ausnahmezustand und die anhaltende Verhaftungswelle in der Türkei und kritisierten einen "Angriff der türkischen Armee" auf kurdische Milizen, die in Syrien gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) kämpfen. In den vergangenen Tagen habe es heftige Kampfhandlungen und türkische Luftangriffe gegen kurdische Stellungen in Syrien gegeben, sagten Sprecher auf der Kundgebung.
Die Türkei hat erklärt, in Syrien auch gegen die Kurdenmiliz YPG vorgehen zu wollen, die als bewaffneter Arm der wichtigsten syrisch-kurdischen Partei PYD gilt. Von der Türkei wird die YPG als Terrororganisation angesehen, wie es am Rande der Veranstaltung hieß.
Im Westen gelte die YPG dagegen als effektivste Streitmacht gegen den IS. Sie bekämpfe die Dschihadisten in Syrien mit Hilfe westlicher Spezialkräfte und mit den Luftschlägen der US-geführten Koalition, erklärten kurdische Redner.
Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger, einer der Kundgebungsredner, erneuerte die Forderung seiner Partei nach einer Wiederzulassung der PKK. Falsch sei auch die Isolierung Öcalans. "Wir fordern da ganz klar, dass Öcalan nicht länger im Gefängnis schmoren darf, sondern dass er für Verhandlungen eingesetzt wird", sagte Riexinger der dpa. Als "Skandal" bezeichnete er, dass die Bundesregierung mit Erdogan einen Präsidenten hofiere, "der die Demokratie mit Füßen tritt und Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt".
Öcalan-Plakate
Auf Tausenden Transparenten und Fahnen prangte das Konterfei des in der Türkei inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan. In Sprechchören forderten die Demonstranten die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei und die Freilassung Öcalans. "Freiheit für Öcalan und Frieden für Kurdistan", skandierten die Menschen. Seit den Ereignissen in der Putschnacht in der Türkei sei die kurdische Bevölkerung um den Zustand Öcalans besorgt, hieß es weiter. Bislang verweigerten die türkischen Behörden jeglichen Besuch bei dem seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Kurdenführers.
Ursprünglich sollte am Samstag das jährliche kurdische Kulturfestival im Rheinenergie-Stadion in Köln-Müngersdorf stattfinden. Das Fest wurde aber auf Empfehlung der Polizei wegen möglicher Ausschreitungen mit türkischen Nationalisten abgesagt.
Kurdische Verbände hatten diese Entscheidung scharf kritisiert und stattdessen eine Großdemonstration in der Domstadt geplant. Auf diese Demonstration hatten die Kurden dann aber verzichtet und sich mit der Polizei auf die Großkundgebung am Rheinufer geeinigt, wo vor einigen Wochen rund 40.000 türkische Demonstranten eine Kundgebung für Erdogan durchgeführt hatten.