domradio.de: Was heißt das konkret für Kinder, wenn sie in Armut aufwachsen?
Michaela Hofmann (Referentin für Armutsfragen beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln): Wenn Kinder in Armut aufwachsen, dann heißt das, nicht mithalten zu können und das ist für Kinder sehr schwer auszuhalten. Das heißt konkret, kein Fahrrad zu haben oder viel später schwimmen lernen zu können oder dass man keine Freunde zum Kindergeburtstag einladen kann. Alles das nicht zu haben oder später zu bekommen, was für andere Kinder so selbstverständlich ist. Ein Gefühl von "ich gehöre eigentlich nicht richtig dazu".
domradio.de: Zeigt die Tatsache, dass die Kinderarmut insgesamt weiter gewachsen ist, nicht sehr deutlich, dass die staatliche Unterstützung in der aktuellen Form nicht ausreicht?
Hofmann: Das zeigt es. Wobei man differenzieren muss: Es gibt ja schon viel staatliche Unterstützungen, das Kindergeld ist ja zum Beispiel eine Unterstützung, allerdings kommt das bei den Kindern oder bei den Eltern im Hartz-IV-Bezug nicht an, weil es als Einkommen angerechnet wird. Von daher wäre es sicherlich notwendig und auch an der Zeit, diese Leistungen zu überprüfen: Kann man nicht mit Wohngeld oder mit Kinderzuschlag die Situation von Familien und damit auch der Kinder verbessern?
Was man auch unbedingt machen muss, betrifft den Hartz-IV-Regelsatz. Der Regelsatz ist gerade neu berechnet worden und geht nicht von den Bedarfen von Kindern aus, sondern nur von dem, was am notwendigsten ist. Wenn man Kindern eine Chance auf Bildung, auf Teilhabe geben will, ist das eben nicht genug. Da muss man sich eine andere Kindergruppe angucken und fragen, was braucht eigentlich ein Kind, um wirklich aufwachsen zu können und um bestimmte Chancen in unserer Gesellschaft zu erhalten? Das wird bei dem Regelsatz nicht gemacht und das ist dringend angesagt, dass man die ganze Berechnung auf neue Füße stellt.
domradio.de: Dass Alleinerziehende und Familien mit drei und mehr Kindern ein besonderes Armutsrisiko haben, das wissen wir ja nicht erst seit gestern. Warum tut sich da offenbar so wenig?
Hofmann: Tja, das ist etwas, was ich mich auch immer wieder frage und ich auch nicht verstehe. Ich bekomme auch von der Politik darauf keine Antwort.
domradio.de: Vor diesem Hintergrund: Was sind die Forderungen der Caritas an die Politik?
Hofmann: Eigentlich sind die Forderungen, dass die Politik unsere Vorschläge, die wir ja in den letzten Jahren zuhauf gemacht haben und die auch von anderen durch Studien oder Stiftungen gemacht worden sind, endlich ernstgenommen werden.
Das eine betrifft die Neuberechnung der Regelsätze und dass man guckt, wie kann man allen Kindern ermöglichen, dass sie kostenfrei Bildung erhalten, dass nicht noch zusätzlich etwas in Schulen bezahlt werden muss für Tagesausflüge, dass man kostenfreies Mittagessen anbietet, dass man eine Mobilitätskarte hat, dass es Möglichkeiten in Sportvereinen gibt auch zu einem kleinen Obolus oder kostenfrei mitmachen zu können.
domradio.de: Wie versuchen Sie von der Caritas, die Betroffenen zu unterstützen, sie idealerweise aus der Armutsspirale herauszuholen?
Hofmann: Unsere Dienste und Einrichtungen oder offenen Ganztagsgrundschulen versuchen möglichst individuell anzusetzen und mit den Leuten zu entwickeln, wie sie aus ihrer Not herauskommen und wie das auch langfristig geschehen kann. Dazu haben wir auch Arbeitsmarktprojekte oder Beratungsstellen der unterschiedlichsten Art und Weise. Außerdem klären wir Menschen darüber auf, was ihnen an gesetzlichen Leistungen zusteht und wie wir sie dabei unterstützen, das zu bekommen. Wie zum Beispiel Leistungen vom Bildungs- und Teilhabepaket oder dass man einen Anspruch hat auf Arbeitslosengeld oder auf eine Leistung im Alter, wenn die Rente nicht reicht. Diese Sachen wissen viele Leute nicht, da versuchen wir aufzuklären, zu informieren und zu sagen: Wenn ihr die Anträge nicht ausfüllen könnt, dann kommt zu uns, wir helfen euch dabei.
Das Interview führte Hilde Regeniter.