Ort des Gebets im Brüsseler Politik-Alltag

Ort des Gebets im Brüsseler Politik-Alltag

Vor 15 Jahren eröffnete die "Chapel for Europe" ihre Pforten im EU-Viertel. Heute ist sie ein Ort, an dem sich EU-Beamte und andere Menschen aus dem Brüsseler Politik-Alltag am Mittag für ein Gebet treffen.

Autor/in:
Franziska Broich
"Chapel for Europe" im EU-Viertel in Brüssel / © Franziska Broich (KNA)
"Chapel for Europe" im EU-Viertel in Brüssel / © Franziska Broich ( KNA )

Auf einem kleinen improvisierten Altar brennen vier Kerzen. Dahinter hängt das Kreuz von Taize. Eine Ikea-Topfpflanze am Boden. Durch die pastellfarbenen Fenster scheinen die ersten Sonnenstrahlen. In der "Chapel for Europe" haben sich an diesem Freitagmorgen drei Menschen eingefunden. Zusammen beten und singen sie - mal auf Englisch, mal auf Französisch. Sie beten für die Zukunft Europas und die Menschen in Portugal, die von den jüngsten Waldbränden betroffen sind.

Die Kapelle feiert am 28. September ihr 15-jähriges Bestehen. Der Tiroler Christian Gsodam (46) war von Anfang an dabei. Er erinnert sich noch gut, wie die alte Kapelle damals noch eine Ruine war und abgerissen werden sollte. Er lebt seit 1992 in Brüssel und arbeitet für die EU-Institutionen. "Damals sah das EU-Viertel noch ganz anders aus. Die Kapelle und das Kloster waren verlassen und verfallen", erklärt er. Heute ragt gegenüber der Kapelle ein modernes Hochhaus in den Himmel. Das Gotteshaus mit seinen roten Ziegelsteinen bietet dazu einen krassen Gegensatz.

Für Europa beten

In der EU-Kommission gab es Pläne die baufällige Kapelle zu kaufen, um daraus einen Raum für offizielle Empfänge zu machen. Man hätte sich dann dort bei Shrimps und Champagner ausgetauscht, sagt Gsodam.

"Doch Katholiken aus allen EU-Institutionen haben sich mit Bischofskonferenzen und Kirchen in ganz Europa zusammengetan und die Kapelle gekauft", sagt der Beamte. Sie sollte wieder auferstehen und ein Ort werden, wo Christen feiern und Zeugnis ablegen. "Uns war es wichtig, dass es ein spiritueller Raum bleibt, wo auch für Europa gebetet wird", so Gsodam.

Kapelle bietet Ruhe vom hektischen Alltag

Heute ist die "Chapel for Europe" ein belebter Ort. Jeden Morgen um acht Uhr findet montags bis freitags ein ökumenisches Gebet statt.

Außerdem öffnet sie von 11 bis 15 Uhr ihre Pforten. Geleitet wird sie von dem Jesuiten Krystian Sowa. Viele EU-Beamte kämen in ihrer Mittagspause, sagt er. Sie suchten etwas Abstand vom hektischen Brüsseler Alltag. Abends fänden Veranstaltungen statt, die von einem internationalen ehrenamtlichen Team organisiert werden.

"Der Rhythmus der Kapelle orientiert sich an der Arbeit der Beamten", erklärt der Jesuit. Im Januar etwa diskutierte der frühere EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy über die Rolle von Christen in Europa. Die Menschen, die herkommen, sind Spanier, Portugiesen, Deutsche, Franzosen, Europäer. Sie arbeiteten in der EU-Kommission, im Rat, im Parlament oder in Nichtregierungsorganisationen. Sowa sieht seine Aufgabe darin, Menschen in der Kapelle zusammenzubringen und ihnen einen Raum zum Austausch zu bieten. Auch Abgeordnete kämen ab und zu vorbei.

Kapelle im Zentrum der Politik

Auch das Gebäude ist ein Mosaik verschiedener europäischer Länder. Die vom österreichischen Maler Thomas Reinhold gestalteten Fenster, in denen zum Beispiel die Auferstehung zu sehen ist, wurden von den österreichischen Ländern gespendet, die Orgel von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Früher gehörte das Gebäude Ordensschwestern. Sie übernahmen in den Anfangsjahren auch die Leitung der Kapelle. Das Gebäude des Van-Maerlant-Klosters im Brüsseler Stadtzentrum wurde 1908 aus der Innenstadt an den damaligen Stadtrand verlegt - Ziegelstein um Ziegelstein. Das sei früher üblich gewesen, erklärt Sowa. Schaut man heute die Straße hinauf, sieht man das Gebäude des Ausschusses der Regionen, auf der anderen Seite die EU-Kommission und der Rat. Die kleine unscheinbare Kapelle, an der morgens viele Beamten auf ihrem Weg zur Arbeit vorbeigehen, steht im Zentrum der europäischen Politik.

Kapelle der Auferstehung

Gsodam sieht in der Kapelle ein Symbol für das Bekenntnis der Christen zu Europa. Sie hat gleich zwei Namen: "Chapel for Europe" und "Chapelle de la Resurrection" (Kapelle der Auferstehung). Gsodam erinnert sich noch genau, wie damals über den Namen diskutiert wurde. Zur Wahl hätten Versöhnung und Auferstehung gestanden.

Schließlich habe man sich für Auferstehung entschieden, den zentralen Glaubenssatz der Katholiken sei. "Europa ist auch eine Auferstehung", sagt Gsodam. Zwei Weltkriege, zwei Katastrophen, hätten den Kontinent im 20. Jahrhundert erschüttert, so der Tiroler. Besonders Christen dürften sich von den Krisen nicht erschüttern lassen und sollten ihren Weg in der Hoffnung der Auferstehung weitergehen.


Herman Van Rompuy, EU-Ratspräsident / © Giuseppe Lami (dpa)
Herman Van Rompuy, EU-Ratspräsident / © Giuseppe Lami ( dpa )
Quelle:
KNA