In der Ökumene hat das Schlagwort der "versöhnten Verschiedenheit" die Runde gemacht, nach dem Motto: Es ist gut, dass wir so viele sind und uns halbwegs vertragen. Doch das ist nicht das Anliegen Jesu, der im Johannes-Evangelium klar sagt: Seid alle eins. Darauf beharrt auch das Wort der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zum Reformationsgedenkjahr 2017. Das am Mittwochabend in Augsburg veröffentlichte Papier ist insofern ein wichtiger Weckruf.
In der Erklärung wird deutlich, dass die christlichen Kirchen im kommenden Jahr die Kernanliegen und Impulse der Reformation kraftvoll aufgreifen wollen, als da wären: Orientierung an der Bibel, Betonung der Gnade Gottes statt der Werkgerechtigkeit sowie das Priestertum aller Gläubigen. Doch auch die Kirchenspaltung und ihre "leidvollen Folgen" sollten bedacht werden, heißt es in dem Text. "Wir müssen eingestehen, als Christen aneinander schuldig geworden zu sein."
Teil einer wichtigen Vorarbeit
2017 wird weltweit an den 500. Jahrestag der Reformation erinnert. Als deren Auftakt gilt die Veröffentlichung der Ablassthesen durch Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517. Das Gedenkjahr bietet erstmals in der Geschichte die Möglichkeit, einen ökumenischen Blick auf das weltgeschichtliche Ereignis zu werfen. Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben schon wichtige Vorarbeiten geleistet. So gibt es in diesem Herbst eine gemeinsame Wallfahrt ins Heilige Land; für die Fastenzeit ist ein ökumenischer Bußgottesdienst vorgesehen.
Die ACK setzt nun einen weiteren wichtigen Baustein mit dem vierseitigen Text unter dem Titel "Versöhnt miteinander". Der 1948 gegründete Zusammenschluss repräsentiert rund 50 Millionen Christen in Deutschland und damit weit mehr als nur Protestanten und Katholiken. 17 Kirchen und Gemeinschaften sind Mitglieder, darunter auch Orthodoxe, Baptisten, Methodisten, Altkatholiken oder die Heilsarmee.
"Reformation hatte Täter und Opfer"
Thematisch bedingt ist das Papier eher von der evangelischen Theologie geprägt. Prägnant heißt es darin, alle Reformatoren hätten entschieden jeder Versuchung widersprochen, "sich die Gnade Gottes durch besondere Frömmigkeitsanstrengungen erwirken zu wollen". Diese Gnade könne an keine Leistung gebunden werden, sondern laufe allen menschlichen Anstrengungen voraus. Gerade die orthodoxe Seite, so ist zu hören, habe das Papier nur mit einem gewissen Bauchgrimmen mitgetragen.
Die Reformation und die folgenden Auseinandersetzungen hätten wie alle großen Umbrüche der Geschichte Täter und Opfer gehabt, hält die ACK-Erklärung weiter fest. "Auf allen Seiten gab es den Missbrauch politischer Macht und das Leiden unter der Herrschaft konfessioneller Dominanz." In dem Text wird zudem der kirchliche Antijudaismus beklagt - und die Verfolgung der Täuferbewegungen verurteilt, was wiederum dem Vernehmen nach bei der Abstimmung über die endgültige Textgestalt Lutheranern und Reformierten wenig gefallen hat.
"Hinwirken auf die sichtbare Einheit"
Einigkeit herrschte indes über die Zukunft. Das Papier zitiert bewusst die europäische Charta Oecumenica von 2001: "Wir verpflichten uns, in der Kraft des Heiligen Geistes auf die sichtbare Einheit der Kirche Jesu Christi in dem einen Glauben hinzuwirken". Dies betonte auch der ACK-Vorsitzende Karl-Heinz Wiesemann bei der Vorstellung des Papiers. Die Kirchen sollten diese Vision bewahren und sich nicht mit einer «versöhnten Verschiedenheit» zufriedengeben, so der katholische Bischof von Speyer.
Der bayerische ACK-Chef Bertram Meier formulierte noch etwas drastischer, indem er die Konfessionen zu mehr Verständnis füreinander ermahnte, sozusagen als Ergänzung zum schriftlichen Weckruf. "Die Ökumene der Defizite ist ein Holzweg", so der Augsburger Prälat. Man könne nicht wie Zahnärzte "die Löcher bei den anderen suchen". Im Text selbst heißt es am Ende: "Wir gehen den ökumenischen Weg weiter. Wir sind gewiss: Versöhnt miteinander sind wir glaubwürdige Zeugen für Jesus Christus."