Die katholische Kirche war für die CSU eigentlich immer eine sichere Bank. Die ewige bayerische Regierungspartei wusste, was sie an der Kirche hatte und umgekehrt. Gab es mal Anlass zum Ärger, wurde er hinuntergeschluckt - oder hinter verschlossenen Türen rasch beigelegt. In den Grundüberzeugungen wusste man sich ja einig. Die Katholiken zählten zu den verlässlichsten Stammwählern der Christsozialen. Seit einigen Monaten zeigt sich: Hier ist etwas in Rutschen gekommen.
Und wie das bei instabil gewordenen Hängen oft ist: Es lässt sich nicht absehen, wann sie zum Stillstand kommen - und was sie am Ende alles unter sich begraben haben werden.
Gegenseitige Irritationen
Die gegenseitigen Irritationen füllen inzwischen eine lange Liste: Da äußern sich CSU-Lokalpolitiker abfällig über einen afrikanischen Priester; da stichelt der bayerische Finanzminister gegen die Kirche mit der Behauptung, sie würde an der Bereitstellung von Flüchtlingsheimen Geld verdienen; da macht der Generalsekretär der Partei Schlagzeilen mit seinem Spruch über ministrierende Senegalesen, die man einfach nicht wieder abschieben könne, weil sie viel zu lang da seien und zu gut integriert.
Solcherart starken Tobak gab es früher bisweilen auch, aber die Häufung von Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit fällt auf. Und die neue Form der Retourkutschen. Da schreiben Ordensobere einen offenen Brief an Parteichef Horst Seehofer, ein Generalvikar gibt dem CSU-General auf Facebook Kontra, ein Erzbischof und ein Minister liefern sich in den sozialen Medien einen offenen Disput.
Erregungsspirale dreht sich weiter
Man ist enttäuscht, verletzt, nimmt übel - auf beiden Seiten. Die medial befeuerte Erregungsspirale dreht sich munter. Das mag mit veränderten Kommunikationsformen zu tun haben. Doch plötzlich erscheinen selbst zwei afrikanische Messdiener, die einen Bischof bei einem Festgottesdienst flankieren, als Politikum - so geschehen bei der Seligsprechung von Engelmar Unzeitig in Würzburg.
Was in der Öffentlichkeit als bewusst herbeigeführte Eskalation erscheint, muss dabei gar nicht so gemeint gewesen sein. Doch die Dünnhäutigkeit sowie das Gefühl, nicht mehr verstanden zu werden, nehmen offenbar zu - und auch die Neigung, dem anderen endlich einmal lautstark die Meinung zu geigen.
Wann hat dieser Entfremdungsprozess angefangen? Nicht erst mit den Flüchtlingen, heißt es im Landeskomitee der Katholiken. Dort datieren einige den Beginn mehr als zehn Jahre zurück in die Zeit, als Edmund Stoiber zugunsten der schwarzen Null im Staatshaushalt massive Einschnitte bei den Sozialausgaben durchsetzte. Nicht nur das "C" im Parteinamen sei heute fragwürdig, sondern auch das "S", sagen sie.
CSU-Altvordere wie Theo Waigel und Alois Glück mahnen ihre Partei, nicht länger mit scharfen Tönen ihre kirchlich gebundenen Anhänger zu verprellen. Und man darf davon ausgehen, dass es einem wie Glück nicht im Traum eingefallen wäre, in ein Grundsatzprogramm seiner Partei die Bevorzugung christlicher Migranten gegenüber Andersgläubigen hineinzuschreiben.
Bischöfe liegen nicht immer auf Parteilinie
Obergrenze, Leitkultur - bei diesen Herzthemen der CSU liegen die Bischöfe nicht auf Parteilinie. Aber wer die Kirche in diesen Streitfragen für einen geschlossenen Block hält, liegt ebenso falsch.
Das zeigt schon ein Blick auf die Leserbriefseiten kirchlicher Publikationen. So mancher brave Katholik nimmt dort Anstoß an seinen Hirten und hält ihnen vor, sich in unbotmäßiger Weise ins politische Tagesgeschäft einzumischen. Und outet sich dabei mitunter zugleich als Sympathisant der AfD.
Der politische Prälat, der in der CSU-Landtagsfraktion das Wort führt, ist längst Geschichte. Allerdings gibt es noch politisch gut vernetzte höhere Geistliche, die den kurzen Dienstweg in die Amtszimmer der Regierenden zu nutzen wissen, etwa wenn es Probleme mit einer kirchlichen Schule unbürokratisch zu lösen gilt. In diesen Kreisen schätzt man die aktuellen Aufregungen gar nicht. Es werde "unnötig Porzellan zerschlagen", heißt es sorgenvoll. Und dass die Kirche die erste sein würde, "die eine veränderte Farbkonstellation in der Staatsregierung zu spüren" bekäme.