Vor 75 Jahren wurde das Bernsteinzimmer demontiert

Flüchtiger Glanz

Gold und Silber lieb ich sehr - aber Bernstein noch viel mehr. Als "achtes Weltwunder" galt das Bernsteinzimmer, ein Meisterwerk des Barock von unschätzbarem Wert. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist es verschollen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Nachgebildetes Bernsteinzimmer im Katharinenpalast / © Arno Burgi (dpa)
Nachgebildetes Bernsteinzimmer im Katharinenpalast / © Arno Burgi ( dpa )

Vor exakt 300 Jahren wechselte es den Besitzer, vor genau 75 Jahren wurde es demontiert und ging wenig später in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren. Für immer? Das ist die große Frage. Außer Zweifel aber steht, dass das Bernsteinzimmer, geschaffen zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter der Ägide von Barockbaumeister Andreas Schlüter, auf eine äußerst bewegte Geschichte zurückblickt.

Preußenmonarch Friedrich Wilhelm I. lagerte das von seinem Vorgänger Friedrich I. in Auftrag gegebene Werk im königlichen Abstellraum ein, der Rüstkammer. Der russische Zar Peter der Große hingegen signalisierte lebhaftes Interesse an dem innenarchitektonischen Geniestreich. Vom 23. bis zum 28. November 1716 trafen sich die beiden Herrscher im sachsen-anhaltischen Havelberg.

Übergang in russischen Besitz

Dort sollen Friedrich Wilhelm und Peter den Deal perfekt gemacht haben. Das Bernsteinzimmer, "das wir uns schon lange gewünscht haben", ging nebst preußischer Staatsyacht "Die Krone" in russischen Besitz über. Im Gegenzug erhielt der Preußenkönig eine Lieferung "Langer Kerls", hochgewachsene Soldaten für seine Elitetruppe.

Soldaten spielten auch im nächsten Kapitel um das Zimmer eine wichtige Rolle. Am 14. Oktober 1941 drangen deutsche Wehrmachtsoldaten in den Katharinenpalast bei Sankt Petersburg ein, zu dessen Einrichtung das Bernsteinzimmer seit knapp zwei Jahrhunderten gehörte. In angeblich nur 36 Stunden bauten die Männer um Rittmeister Ernstotto zu Solms-Laubach und Hauptmann Georg Poensgen die wertvollen Wandverkleidungen aus Bernstein aus und transportierten sie ins Königsberger Schloss.

Als Kriegsbeute von Russland ins "Reich" gebracht, wurde das Bernsteinzimmer schnell zu einem Symbol für den groß angelegten Kunstraub durch die Nationalsozialisten. Bis auf den heutigen Tag geistert es "wie der Fliegende Holländer" durch entsprechende juristische Debatten, schreiben Siegfried Kogelfranz und Willi A. Korte in ihrem Buch "Quedlinburg - Texas und zurück" über den "Schwarzhandel mit geraubter Kunst".

Spur verliert sich nach 1945

Bis März 1944 war das Zimmer in Königsberg der Öffentlichkeit zugänglich - bevor alliierte Bomber die ostpreußische Stadt in Schutt und Asche legten. Angeblich überstand das Zimmer jedoch das Inferno und wurde von den fliehenden Nazis abtransportiert. Nach 1945 verliert sich seine Spur. Mehr oder weniger seriöse Forscher und Schatzsucher schreiben seither am vorläufig letzten Kapitel des Bernsteinzimmers mit.

An mehr als 100 Orten wollen Experten das Zimmer beziehungsweise Teile davon gesichtet haben. Selbst Lagerstätten in Afrika oder Amerika wurden in diesem Zusammenhang bereits genannt. Eine Auswahl aus den zurückliegenden Monaten: Bunkeranlagen im polnischen Mamerki und in Wuppertal, das Schloss Friedland in Tschechien, der Walpersberg nahe Kahla in Thüringen.

Kopie des Bernsteinzimmers im Katharinenpalast

Immerhin: Die Pracht und Glorie vergangener Tage erstrahlt wieder an alter Stelle. Seit 2003 steht im Katharinenpalast eine Kopie des Bernsteinzimmers, die sogar das Original noch übertrifft, wie kurz vor der feierlichen Eröffnung Alexander Krylow, künstlerischer Leiter der zuständigen Bernstein-Werkstatt, zu Protokoll gab. "Unser Werk ist aus einem Guss, in einem Stil geschaffen, von einem Team. Das alte Bernsteinzimmer hatte zwei Renovierungen hinter sich und war ziemlich ramponiert, als es verschwand."

Aus Deutschland flossen umgerechnet 3,5 Millionen US-Dollar von der damaligen Ruhrgas AG in die Rekonstruktion der "teuersten Tapete der Welt". Anhand von alten Schwarz-Weiß-Fotos gingen die Spezialisten aus Russland zu Werke. Die Illusion ist ihnen nahezu perfekt gelungen. Aber echte Schatzjäger lassen sich davon nicht ins Bockshorn jagen. Die Suche nach dem Original geht weiter.

Auch wenn nicht wenige Stimmen meinen, dass das Bernsteinzimmer bei den Bombardements getroffen wurde. Es wäre in diesem Fall vermutlich geschmolzen. Hitze kann der "Brennstein" nämlich gar nicht gut vertragen.


Quelle:
KNA