DOMRADIO.DE: Jeweils neun Mitglieder der deutschen Bischofskonferenz und des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland reisen nach Israel, darunter die Vorsitzenden der beiden Kirchen, Marx und Bedford-Strohm. Ist Ihre Abtei auf diesen Besuch schon vorbereitet?
Pater Nikodemus Schnabel (Prior-Administrator der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Ja, aber es betrifft nicht nur unsere Abtei. Die Pilgerreise macht auch Halt in unserem Priorat in Tabgha. Die Pilgerreise an sich ist ein sehr kompliziertes Unternehmen, weil genau geschaut wird, dass immer paritätisch evangelische und katholische Interessen gleichermaßen zum Zuge kommen. Wir freuen uns und sind gut vorbereitet.
DOMRADIO.DE: Es ist das erste Mal, dass es zu solch einer gemeinsamen Pilgerreise der beiden Kirchen kommt, und da geht es direkt nach Jerusalem. Welchen Stellenwert hat das?
Pater Nikodemus: Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges und gutes Signal. Wenn man an das Stichwort Christusfest denkt, dann sagt man im Hinblick auf das Jubiläumsjahr, das jetzt kommt, wir schauen nicht nur auf Luther und die Reformation und 500 Jahre Kirchentrennung, sondern begehen eigentlich eine gemeinsame Rückbesinnung auf die Wurzeln. Was uns ja wirklich verbindet, ist die gemeinsame heilige Schrift, der Blick auf Jesus Christus. Das ist hier in dem Land, in dem er geboren wurde und in dem er gelebt hat, gekreuzigt wurde und auferstanden ist und wo eben auch das Pfingstereignis war, alles vereint.
Wir als Dormitio bilden den Abschluss der Pilgerreise. Wir reden ja oft über Theologie, Kirchentrennung, aber ich glaube, stark ist das, was ich einmal als Dialog der Liebe bezeichnen möchte, wenn sich die beiden Spitzen gemeinsam als Pilger auf den Weg machen. Das kann positiv viel, viel mehr bewirken als viele Papiere, Konferenzen oder offizielle Anlässe. Hier kann man sich als Mensch begegnen, um gemeinsam auf Christus zu schauen.
DOMRADIO.DE:Dabei ist das keine touristische, sondern eine spirituelle Reise. Sie erleben in der Dormitio-Abtei in Jerusalem viele Pilger Jahr für Jahr. Was werden die Kirchenvertreter aus dem Heiligen Land mit nach Hause nehmen?
Pater Nikodemus: Ich glaube, man muss sehr abgestumpft sein, wenn einen dieses Land nicht berührt. Der Beginn der Pilgerreise findet oben am See Genezareth, in Galiläa, statt. Das ist eine traumhafte Landschaft. Wenn man dann einfach die Bibel in dieser Umgebung liest, bekommt so manche Bibelstelle noch einmal ganz anders Fleisch und Blut. Der heilige Hieronymus hat ja vom Heiligen Land also vom fünften Evangelium gesprochen. Man kommt der Bibel durchaus näher, wenn man sich im Land der Bibel die Zeit nimmt, wo diese Ereignisse des Neuen und des Alten Testaments alle geschehen sind.
Was ich bei der Sache aber ganz spannend finde, ist, dass es Vorbildcharakter für Pfarreien bekommen könnte. Bislang erleben wir - und das ist für den evangelischen Kollegen genauso wie für mich -, dass eine separate katholische Pfarrgemeinde oder eine separate evangelische Pfarrgemeinde hier ankommt. Jeder unternimmt die Reise für sich getrennt. Interessant wäre, wenn es einen Impuls gäbe, sich zu einer ökumenischen Pilgerreise zusammenzuschließen, so wie es jetzt der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz vormachen. Das wäre mein persönlicher Wunsch - ebenso dass die Pilger überhaupt wieder Mut finden, ins Heilige Land zu kommen. Die Pilgerzahlen sind ja leider rückläufig. Das Land ist so wunderschön. Ich kann garantieren, dass man beschenkter wieder zurück nach Deutschland zurückkehrt, als man gekommen ist.
DOMRADIO.DE: Für uns in Deutschland ist die Konfessionstrennung ja ein recht großes Thema. Wie ist das in Jerusalem? Spielt das dort überhaupt eine Rolle?
Pater Nikodemus: In Jerusalem spielen ganz andere Konfessionstrennungen eine Rolle. Hier haben wir einen ganz bunten Strauß an christlichen Konfessionen, insgesamt 50 Kirchen. Davon sind es 13 traditionelle und da liegt vor allem der Schwerpunkt auf den östlichen Kirchen. Es gibt das große Patriarchat von Jerusalem, das griechisch-orthodoxe Patriarchat, das armenische Patriarchat, die syrische-, die koptische-, die äthiopische Kirche und natürlich auch die katholische Kirche an sich ist viel bunter als wir das in Deutschland kennen.
Die Mehrzahl der Christen ist hier katholisch, gehört aber einem östlichen Ritus an - sprich griechisch-katholisch, syrisch-katholisch, armenisch-katholisch, chaldäisch-katholisch oder maronitisch. Das Christentum ist noch einmal viel, viel bunter als wir es in Deutschland bislang wahrgenommen haben - obwohl es nur eine zweiprozentige Minderheit ist. Durch gewisse Veränderungen in Deutschland hoffe ich darauf, dass wir es noch einmal erleben, dass es mehr als katholische und evangelische Christen gibt. Auch das ist eine Chance, ins Heilige Land zu kommen und zu erleben, dass es das Christentum auch in anderen Spielarten gibt.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.