Als Papst Franziskus an diesem Samstag 17 neue Kardinäle kreierte, ging die katholische Kirche in Deutschland leer aus. Der traditionelle Anwärter in ihren Reihen, der Berliner Erzbischof Heiner Koch, stand nicht auf der Liste, die der Papst am 9. Oktober verlas.
Nur Marx, Woelki und Müller
Die Zahl der deutschen Kardinäle, die jünger als 80 Jahre und damit zur Papstwahl berechtigt sind, verbleibt so auf einem historischen Tiefstand: Würde am Sonntag ein Konklave einberufen, gäbe es nur drei Purpurträger, die in der Sixtinischen Kapelle ihren Stimmzettel abgegeben dürften - so wenig wie seit 1963 nicht mehr: Reinhard Marx aus München, Rainer Maria Woelki aus Köln und der Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller.
In den Konklaven von 2013 und 2005 stellten die Deutschen mit jeweils sechs Kardinälen noch die drittstärkste Gruppe hinter Italienern und Amerikanern. 1978 waren es bei beiden Wahlen immerhin jeweils fünf. Nur wenn man die Kardinäle über 80 - Walter Brandmüller, Paul Josef Cordes, Walter Kasper, Karl Lehmann, Joachim Meisner, Karl-Josef Rauber und Friedrich Wetter - mitrechnet, können die Deutschen mit zehn Purpurträgern noch einen vorderen Platz in der Kardinalsstatistik behaupten.
Deutscher Einflussverlust im Vatikan
Der Schwund bedeutet auch einen Einflussverlust der katholischen Kirche Deutschlands im Vatikan und in der Weltkirche. Denn Kardinäle wählen nicht nur den Papst. Als Mitglieder der vatikanischen Behörden regieren sie auch die Weltkirche mit. An der herausragenden Bedeutung des Amtes hat sich auch unter Franziskus nichts geändert. Seine Ermahnungen an die neuen Kardinäle zur Bescheidenheit galten nur ihrem äußeren Auftreten.
Die verminderte deutsche Präsenz im Kardinalskollegium hat mehrere Ursachen. Der lateinamerikanische Papst überging etliche traditionelle europäische Anwärter auf die Kardinalswürde, um die Globalisierung des Beratergremiums voranzutreiben. Betroffen davon ist nicht nur Deutschland, auch die katholischen Nationen Italien und Spanien haben an Gewicht eingebüßt. Zwei Deutsche erhob Franziskus bislang zum Kardinal: Gerhard Ludwig Müller und den bereits über 80 Jahre alten früheren Vatikan-Diplomaten Karl Josef Rauber.
Doch Franziskus allein erklärt nicht alles. Mehrere besondere Faktoren hatten in früheren Jahrzehnten zu einem überproportional hohen Anteil deutscher Kardinäle geführt. In den vergangenen 100 Jahren hatten unter den deutschen Bistümern nur zwei einen Stammplatz im Kardinalskollegium: München und Köln. Dass die Bischöfe von Berlin seit 1946 meist die Kardinalswürde erhielten, verdankte sich hingegen einer besonderen historischen Konstellation: der Teilung Berlins und seines Symbolcharakters im Kalten Krieg. Seit der Wiedervereinigung ist dieser Grund für den Berliner Kardinalshut entfallen.
Personen- und nicht Bistumsorientiert
Hinzu kamen in der jüngsten Vergangenheit einige Kardinalsernennungen, die allein der Person des Bischofs galten und weniger dessen Bistum. Hierzu zählen sowohl Kardinal Karl Lehmann als auch dessen Vorgänger Hermann Volk in Mainz. Volk erhielt den Kardinalspurpur für seine Mitwirkung an der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei Lehmann spielte 2001 die langjährige Leitung der Deutschen Bischofskonferenz und die Fürsprache von Bundeskanzler Helmut Kohl eine Rolle. Ad personam war auch die Erhebung des Paderborner Erzbischofs Johannes Joachim Degenhardt zum Kardinal im gleichen Jahr.
Zur hohen Zahl der wahlberechtigten deutschen Kardinäle trug eine Zeit lang auch bei, dass unter dem deutschfreundlichen polnischen Papst Johannes Paul II. zwei deutsche Kurienkardinäle im Vatikan wirkten: Joseph Ratzinger als Glaubenspräfekt und Walter Kasper als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Unter Benedikt XVI. waren es dann Kasper und Paul Josef Cordes als Präsident des damaligen Päpstlichen Rates "Cor Unum".
Nimmt man die Zahl der Katholiken in Deutschland - 24 Millionen im Vergleich zu den rund 40 Millionen in Frankreich oder Spanien - als Maßstab, dann relativiert sich das Bild. Die jetzt nur mehr drei Deutschen unter 121 wahlberechtigten Kardinälen erscheinen dann in etwa proportional angemessen. Und so spricht manches dafür, dass auch in den kommenden Jahren München und Köln die einzigen deutschen Kardinalssitze bleiben könnten.