Ein kleines Museum hat den großen päpstlichen Sammlungen eine Premiere beschert. So merkwürdig es klingt: Noch nie waren in den Vatikanischen Museen, die immerhin zu den größten Kunsttempeln der Welt zählen, Werke von Rembrandt von Rijn (1606-1669) zu sehen. Dass zwischen all die Herrlichkeiten von Raffael, Tizian und Caravaggio nun auch Exponate des Niederländers einreihen, verdankt sich dem Reformationsgedenken und irgendwie auch Papst Franziskus, dem Anwalt der Armen - vor allem aber dem Museum Zorn.
Dessen Direktor Johan Cederlund macht keinen Hehl daraus, dass er in einem Provinznest sitzt: Mora, ein Städtchen von 20.000 Seelen, "mitten im Wald und vier Fahrstunden nördlich von Stockholm". Aber Mora hat die Sammlung des schwedischen Malers und Grafikers Anders Zorn (1860-1920), der im Lauf seines Lebens stattliche 169 von 310 bekannten Radierungen Rembrandts erworben hatte. Ein Drittel dieses stattlichen Besitzes überließ das Museum Zorn nun dem Vatikan für seine Sonderschau.
Bezugsrahmen für Ökumene
Hier trafen sich mehrere Umstände: Schweden war ein zentraler Ort des Reformationsgedenkens. Zu der Auftaktveranstaltung Ende Oktober reiste auf Einladung des Lutherischen Weltbunds auch Papst Franziskus nach Lund. Die Ausstellung im Vatikan versteht sich nun als "kultureller Bezugsrahmen" für die spirituelle Ökumene, wie Kurienbischof Brian Farrell vom Rat für die Einheit der Christen betont. Die Pointe ist natürlich, dass Rembrandt Protestant ist.
Wie vielleicht kein anderer Künstler dieser Epoche verkörpert Rembrandt das Ringen der Konfessionen: der Vater Protestant, die Mutter aus einer katholischen Familie; nach dem Besuch einer calvinistischen Schule lernt er im Atelier des Katholiken Jacob van Swanenburgh (1571-1638). Er arbeitet für Auftraggeber aller Bekenntnisse, sogar in ein und demselben Gemälde: "Die Vorsteher der Tuchmacherzunft" (1662) vereint Geschäftsleute katholischen, mennonitischen, reformierten und calvinistischen Glaubens.
Bilder vom Krieg
Vor allem aber fiel Rembrandts Wirken in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648), des wohl grausamsten Konflikts vor dem Ersten Weltkrieg. Rembrandt selbst lebte in einer relativ friedlichen holländischen Enklave, aber die Kriegsgräuel blieben ihm nicht verborgen, nicht zuletzt durch Künstlerkollegen wie Jacques Callot (1592-1635). Wie sehr das Thema ihm nahegeht, zeigen die Stiche der vatikanischen Ausstellung.
Da sind Bettler und Versehrte, Krämer, Rattenfänger, zerlumpte Gestalten, Menschen mit abgetrennten Gliedmaßen - Personen, die in seinen Auftragswerken fehlen. Hier geht es nicht um die Suche nach dem Schönen, wie Arnold Nesselrath sagt, Direktor der Gemäldesammlung der Vatikanischen Museen. Rembrandt verzichtet auf ästhetische Filter, versucht den Betrachter unmittelbar zu treffen.
Ein "Bettler, auf einer Bank sitzend" (1630) trägt sogar Züge von Rembrandt selbst. Diese Identifikation des Künstlers mit seinem Sujet deutet zugleich an, welche Würde Rembrandt in den von ihm dargestellten Armen und Krüppeln sieht. Das macht ihn gewissermaßen zu einem Porträtisten der Menschen, von denen Papst Franziskus beharrlich spricht: die Marginalisierten.
Radierungen zu religiösen Themen
Dieser Blick geht auch in seine Radierungen zu religiösen Themen ein: Die "Kreuzabnahme" (1654) zeigt den toten Jesus in aller Hilflosigkeit des Gehenkten, aber ohne mitleidheischende Drastik. In der "Anbetung der Hirten" (1656/57) erscheinen Maria und ihr Kind ohne jede Glorie eben als arme Leute in einem kalten Stall: in Decken gehüllt und vom Dunkel bedeckt.
Mehr noch als ein Glanzlicht im römischen Museumswinter oder ein ökumenisches Ereignis wird die Schau in der Nachbarschaft von Papst Franziskus so auch zu einem theologischen Lehrstück. Im Übrigen ist Rembrandt nicht der erste protestantische Künstler, der es hinter die Vatikanmauern schafft: Papst Pius VII. ruht seit 1830 unter einem Monument des Dänen Bertel Thorvaldsen (1770-1844) - mitten im Petersdom.