Syrischer Oppositioneller zur Lage in Aleppo

"Hier werden ethnische Säuberungen durchgeführt"

Nach monatelangen Kämpfen und humanitären Notständen haben sich Rebellen und Armee auf eine Waffenruhe im syrischen Aleppo geeinigt. Doch der Schein trügt, sagt Dr. Sadiqu Al-Mousslie, Mitglied des Syrischen Nationalrates.

Waffenruhe in Aleppo? / © STRINGER (dpa)
Waffenruhe in Aleppo? / © STRINGER ( dpa )

domradio.de: Die Rebellen in Aleppo haben der Waffenruhe zugestimmt, auch wenn das keine gute Nachricht für die Opposition im Land ist. Sind Sie doch ein bisschen erleichtert, dass die Kämpfe jetzt beendet scheinen?

Dr. Sadiqu Al-Mousslie (Mitglied im syrischen Nationalrat und Vorsitzender der Initiative für Bürgerrechte in Syrien): Sie sagen es, es scheint nur, dass die Kämpfe beendet sind. Aktuelle Meldungen berichten davon, dass immer noch Viertel in Aleppo bombardiert werden und es Tote und Verletzte gibt. Genaue Informationen liegen mir dazu allerdings nicht vor. Die Aktivisten, die aus Aleppo berichten, sprechen jedoch davon. Das heißt, dass die Kämpfe leider noch nicht beendet sind, weil man keine Handhabe gegen das Assad-Regime und die Unterstützer - in diesem Fall Russland - hat.

domradio.de: Besonders die Zivilsten in Aleppo leiden unter der Lage. Gestern erreichten uns Hilferufe von Menschen. Was heißt diese angebliche Waffenruhe denn für die Menschen in der Stadt?

Al-Mousslie: Das heißt, dass sie zumindest durchatmen können, wenn der Waffenstillstand eingehalten werden sollte. Leider Gottes heißt es aber auch, dass sie ihre Häuser verlassen müssen. Man ist auf die Straße gegangen, um Freiheit zu bekommen und für sich selbst entscheiden zu können, wer regieren soll. Man wollte freie Wahlen und Demokratie erreichen. Dafür wurde man mit Bomben, sogar mit Fassbomben bestraft. Das Ende vom Lied ist nun, dass man aus dem eigenen Haus evakuiert wird. Das Ganze geschieht auch noch unter den Augen der internationalen Gemeinschaft. Das ist sehr bitter für die Menschen.

domradio.de: Wie wird es jetzt weitergehen? Wie schätzen Sie die Lage ein?

Al-Mousslie: Die Lage ist so, dass man zunächst faktisch erst einmal sehen muss, dass hier gezielte Säuberungen durchgeführt wurden. Die Menschen, die gegen das Assad-Regime und ausländische Milizen aus dem Irak, dem Libanon und dem Iran sind, die gezielt helfen, die Bewohner aus ihren Häusern zu vertreiben, betreiben gerade eine ethnische Säuberung. Das muss man klar sagen. Es gibt keine Zeit und auch keine Ausreden mehr, um die Sachlage zu beschönigen, um irgendwelche politischen Lösungen zu forcieren. Man merkt ganz klar und deutlich, dass die politische Lösung in immer weitere Ferne rückt. Was daraus auf dem Boden in Aleppo wird, werden wir in den nächsten Tagen sehen. Aber die Zeichen sind leider sehr schlecht.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR