domradio.de: Laut einem gemeinsamen Papier von Arbeits-, Finanz- und Bildungsministerium solle für einen Migranten kein Mindestlohn gezahlt werden müssen, wenn sich dieser zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifiziert. Doch zunächst zu Ihrem Engagement: Wie unterstützen Sie und Ihr Diözesanverband denn die Flüchtlinge in Fulda?
Michael Schmidt (Diözesansekretär KAB Fulda e.V.): Wir bieten Sprachkurse als eine Art Nachhilfekurs für Menschen an, die in Integrations- und Sprachkursen sind, aber noch einen zusätzlichen Bedarf haben, weil sie im normalen Unterricht nicht mitkommen oder auch unterfordert sind.
domradio.de: Welche Möglichkeiten haben aber Geflüchtete, um in Arbeitsverhältnisse zu kommen?
Schmidt: Es gibt regional sehr unterschiedliche Programme, aber auch Absprachen mit Unternehmen, um Flüchtlinge an Arbeit heranzuführen oder auch sofort in Arbeit zu bringen. Das größte Problem ist die Sprachbarriere. Deutschkenntnisse sind sehr wichtig.
domradio.de: Wie stehen Sie zu dem Argument, jedes Mittel ist recht, auch ein verminderter Mindestlohn, damit Flüchtlinge durch Arbeit Geld verdienen können?
Schmidt: Grundsätzlich muss und darf darüber nachgedacht werden, wie Integration, insbesondere mit Blick auf Erwerbsarbeit, am besten zu bewerkstelligen ist. Ich bezweifle aber, dass die Diskussion um die Stellschraube Mindestlohn die richtige ist. Zum einen, weil Flüchtlinge in Konkurrenz mit Langzeitarbeitslosen oder Geringqualifizierten gesetzt werden. Zum anderen geht es um einen rein menschlichen Aspekt. Die Botschaft, ihr seid des Mindestlohns nicht würdig, ist bedenklich. Eine weitere Frage ist auch, ob sich nicht hier ein Einfallstor auftut, den Mindestlohn grundsätzlich zu unterlaufen.
domradio.de: Welche Wege werden noch gesucht, um den Mindestlohn für Flüchtlinge zu unterlaufen?
Schmidt: Es gibt die neuerliche Diskussion, in Anlernphasen die Menschen als Praktikanten in einer Art Pflichtpraktikum einzustellen. Das halte ich für sehr gewagt und muss überdacht werden. Denn wir haben in der Vergangenheit ja gemerkt, dass Praktikumszeiten ausgedehnt wurden, zum Beispiel bei Studenten. Die Frage also ist, wo soll in der Anlernphase eine Grenze gesetzt werden? Es handelt sich eben nicht um eine Ausbildung, sondern um eine Anlernphase, und da ist es üblich, dass Unternehmen den Mindestlohn zahlen. Warum soll das bei Flüchtlingen anders sein?
domradio.de: Und wie sehen Sie diese Entwicklung aus der Sicht der Flüchtlinge?
Schmidt: Ich sehe die Gefahr, dass die Flüchtlinge möglicherweise im ersten Moment erst einmal froh sind, dass sie Arbeit gefunden haben. Aber dann irgendwann werden sie vielleicht bemerken, dass sie als arbeitende Menschen anders behandelt werden. Ich sehe auch die Gefahr, dass Unternehmen möglicherweise so eine Situation nutzen, um bevorzugt Flüchtlinge gegenüber Langzeitarbeitslosen und Geringverdienern einzustellen und dadurch weniger zahlen zu müssen. Und ich finde, bei einem Mindestlohn von 8,84 EUR liegen wir sowieso in einem fragwürdigen Bereich.
Das Interview führte Milena Furman.