Der Göttinger evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann hat seiner Kirche eine „Vermarktung“ Martin Luthers vorgeworfen. Sie sei „banal, erbärmlich, albern“, sagte Kaufmann in einem Interview des Berliner „Tagesspiegel“ (Montag). Er äußerte sich mit Blick auf ein „Luther-Bier“ und einen „Playmobil-Luther“, die im Rahmen des 500-Jahr-Gedenkens der Reformation verkauft werden. Es sei nicht hinnehmbar, „dass auch die evangelische Kirche Produkte dieser Art vertreibt“.
Der Historiker erklärte, bereits im 16. Jahrhundert habe eine „Heroisierung und Monumentalisierung“ Luthers begonnen. „Luther hat Zeit seines Lebens vermutlich zuwenig dagegen getan“, kritisierte Kaufmann. „Er hätte aber bestimmte Darstellungsweisen unterbinden können, so dass wir davon ausgehen, dass er sein stillschweigendes Einverständnis zu der bildpolitischen Vermarktung gab.“ So habe ihn die Maler-Werkstatt von Lucas Cranach anfangs als Stürmer und Dränger, dann als Hausvater und Ehemann und schließlich als „fetten Kirchenlehrer“ dargestellt.
„Abwegige“ Vorbildrolle Luthers
Kaufmann bezeichnete eine Vorbildrolle des Reformators für die Gegenwart als abwegig. Dessen Wirkung habe sich „historischen Umständen verdankt, die sich grundsätzlich von unseren unterscheiden“. Luther könne jedoch eine Anregung sein „etwa als Sprachmeister und als Ausleger biblischer Traditionen“, so der Historiker. „An dieser Gestalt wird deutlich, welche Rolle Religion politisch und gesellschaftlich spielen kann, im Guten wie im Schlechten.“
Auch vom Reformationsgedenkjahr erhofft sich Kaufmann „eine offene gesellschaftliche Diskussion über die Bedeutung der Religion unter den Bedingungen der Gegenwart“. Wörtlich fügte er hinzu: „Wir müssen wegkommen von den emotional aufgeladenen Symboldebatten über Minarette und Kopftücher.“ Das „Reformationsjubiläum“ könne dazu beitragen, sich klar zu machen, wie lange der Weg der christlichen Konfessionen zur Toleranz gewesen sei. „Dann wird das auch zu einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit dem Islam beitragen.“