Nicht einmal 24 Stunden bleibt Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Kolumbien. Doch der langen An- und Abreise zum Trotz will sich der deutsche Außenminister die historische Entwicklung, die das südamerikanische Land derzeit durchlebt, offenbar nicht entgehen lassen.
Wie in der Ortschaft Mesetas in der zentralkolumbianischen Provinz Meta, die Steinmeier besuchen wird, findet in diesen Tagen vielerorts eine kleine Völkerwanderung statt. Tausende Guerilleros verlassen ihre Verstecke und Stellungen in den Bergen und dem Regenwald, um in sogenannten Normalisierungszonen ihre Waffen abzugeben und einen Schritt in Richtung Rückkehr in die Gesellschaft zu tun. Nur ein paar Tage nach Steinmeier kommt auch Frankreichs Präsident Francois Hollande, um sich von dem Geschehen in Kolumbien ein Bild zu machen.
Friedensabkommen nach jahrelangen Verhandlungen
Die kolumbianische Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und die FARC hatten sich im vergangenen Jahr nach vierjährigen Verhandlungen auf ein Friedensabkommen verständigt. In Folge der Abmachung hat nun die Demobilisierung der FARC begonnen. "Deutschland und Frankreich haben uns vom ersten Moment an im Friedensprozess unterstützt", sagte die kolumbianische Außenministerin Maria Angela Holguin im Vorfeld der Besuche, die in kolumbianischen Medien breiten Raum einnehmen.
Neues Institut für den Frieden
Beide Länder würden zudem den europäischen Fonds für die weitere gesellschaftliche Aufarbeitung des Konflikts mittragen. Es ist nicht der einzige Anlass, der Steinmeier nach Bogota führt. Am Freitag wird er auch den Startschuss für das deutsch-kolumbianische Friedensinstitut geben, für das der deutsche Botschafter Michael Bock bereits kräftig die Werbetrommel rührt. "CAPAZ" heißt die neue Einrichtung, wie die deutsche Botschaft in dieser Woche mitteilte.
Geführt wird das Institut von einer "Allianz der kolumbianischen Universitäten für den Frieden" und der Justus-Liebig-Universität aus Gießen. Der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD) ist federführend mit im Boot. Ziel des Instituts, das sich erst noch personell und organisatorisch aufstellen muss, ist unter anderem die Unterstützung der kolumbianischen Zivilgesellschaft bei Konfliktforschung und -prävention. Die vielschichtigen Ursachen des Konflikts mit seiner extremen Gewalt von links und rechts als auch vom Staat gegen die Zivilbevölkerung sind für Friedensforscher ein wichtiges Betätigungsfeld.
Feier von Soldaten und Guerillas sorgt für Unmut
Nachdem der Friedensvertrag im vergangenen Jahr unter Dach und Fach gebracht wurde, drückt die Regierung von Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos nun aufs Tempo. Das Amnestiegesetz ist verabschiedet, die ersten Begnadigungen wurden ausgesprochen, der politische Arm der FARC hat im Parlament seine Arbeit aufgenommen.
So viele gute Nachrichten machen offenbar übermütig. Zum Jahreswechsel tauchten Bilder von UN-Mitarbeitern auf, die mit FARC-Guerilleras in den Demobilisierungszonen auf einer Silvesterparty tanzten. Dabei sollten die betroffenen UN-Mitarbeiter eigentlich als unabhängige Beobachter den Umzug und die Entwaffnung der FARC-Kämpfer überwachen. Bei Kritikern des Friedensprozesses, die in Kolumbien bei der Volksabstimmung über einen ersten Entwurf des Abkommens noch die Oberhand behalten hatten, kam dies nicht gut an.
Immerhin trägt die Guerilla eine erhebliche Mitverantwortung an dem jahrzehntelangen Konflikt, der mindestens 220.000 Menschenleben forderte und mehr als fünf Millionen zu Binnenflüchtlingen machte. Noch immer warten zahlreiche Familien auf Informationen über das Schicksal ihrer seit Jahren vermissten Angehörigen. An den Bildern der UN-Mitarbeiter in Feierlaune entzündete sich im Land eine heftige Debatte. Neben der Kritik gibt es jedoch auch Unterstützung: Nachdem einige der Mitarbeiter ausgetauscht wurden, sollen am Freitag in manchen kolumbianischen Städten Solidaritätstänze stattfinden.