"Den dramatischsten Mangel in Gaza sieht man nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen und im Gespräch mit den Menschen: Es ist der Mangel an Freiheit", sagte der französische Bischof von Evry, Michel Dubost, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nach dem zweitägigen Besuch. Auf dem Programm stand neben Begegnungen mit einheimischen Christen auch der Besuch christlicher Hilfsprojekte, darunter das einzige christliche Krankenhaus des Gazastreifens.
Die Direktorin des Al-Ahli-Krankenhauses, Suhaila Tarazi, bezeichnete die Lage als dramatisch. Nach drei Kriegen in sechs Jahren sei die Zerstörung allgegenwärtig. Zwei Millionen Menschen litten unter der Abriegelung. Bei steigenden Armutsraten seien bereits jetzt rund 70 Prozent der Bewohner Gazas von Hilfsleistungen abhängig. Insbesondere die Elektrizitätsknappheit mache zu schaffen; derzeit gebe es nur drei bis vier Stunden Strom pro Tag.
Demonstrationen wegen Stromausfällen in Gaza
Die Menschen im Gazastreifen leiden unter den massiven Stromausfällen. Tausende Palästinenser gehen deswegen seit mehr als einer Woche auf die Straßen. Die Polizei habe die Menschen am Donnerstagabend auseinandergetrieben, berichteten Augenzeugen und Medien. In einer Stellungnahme des Hamas-Innenministeriums hieß es, die Polizisten hätten erst reagiert, nachdem Menschen Steine auf das zentrale Büro des Energieversorgers geworfen und dieses angegriffen hätten.
Die Demonstranten machen den Konflikt zwischen der Hamas im Gazastreifen und der gemäßigten Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland für die Energieprobleme verantwortlich. Sie forderten, die Not im Elektrizitätssektor vom allgemeinen Streit zu trennen und eine bessere Versorgung sicherzustellen. Sie verlangten eine neue Stromtrasse von Israel.
Bisher erhielten die rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen im Schnitt rund zwölf Stunden Strom pro Tag. Nun verfügen manche Haushalte nur noch über vier Stunden Elektrizität am Tag. Dabei können die Temperaturen in dem von der radikal-islamischen Hamas beherrschten Küstenstreifen nachts auf bis zu acht Grad Celsius fallen.
Viele Christen aus Gaza ausgereist
Vertreter christlicher Hilfsorganisationen konstatierten eine Verschärfung der Lage. Zwar haben die Lockerungen Israels bei der Zementeinfuhr den Wiederaufbau erleichtert; gleichzeitig sei es aber zunehmend schwierig, Ausreisegenehmigungen aus dem Gazastreifen zu erhalten, sagte Bassam Nasser vom Hilfswerk Catholic Relief Service. Die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Wirtschaftslage führten zu einer scharfen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.
Nach Angaben des katholischen Pfarrers von Gaza, Mario Da Silva, ist die Zahl der Christen im Gazastreifen 2016 weiter gesunken - von rund 1.200 auf "um oder sogar unter 1.000". Viele hätten die zum Osterfest erteilten Ausreisegenehmigungen genutzt, um ins Westjordanland oder in andere Länder auszureisen und nicht in den seit 2007 von Israel abgeriegelten Landstrich zurückzukehren. Die Zahl der Katholiken ist nach seinen Angaben stabil; seine Gemeinde zähle derzeit 135 Katholiken.
Am Samstag weiteres Treffen internationaler Bischöfe
Zu der Bischofsdelegation gehörten unter anderen die katholischen Bischöfe William Nolan (Galloway) und Lionel Gendron (Saint-Jean-Longueuil, Kanada) sowie der anglikanische Bischof Christopher Chessun (Southwark) und der frühere britische Generalkonsul von Jerusalem, Vincent Dean. Aus Deutschland nahm der Referent im Bereich "Weltkirche und Migration" der Deutschen Bischofskonferenz und frühere Leiter des Jerusalemer Büros des "Deutschen Vereins vom Heiligen Lande", Bernd Mussinghoff, teil.
Ab Samstag tagen weitere Vertreter katholischer Bischofskonferenzen aus Europa, den USA und Südafrika im Heiligen Land. Darunter ist auch der Trierer Bischof und Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Stephan Ackermann. Anlass ist das 17. Internationale Bischofstreffen. Auf dem Programm stehen Gespräche mit dem Apostolischen Administrator des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, sowie mit israelischen und palästinensischen Politikern und Hilfsorganisationen.