domradio.de: Was wird Ihre zentrale Botschaft bei der Predigt morgen sein?
Erzbischof Reinhard Kardinal Marx (Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz): Vor allem geht es darum, dass wir in der Woche der Einheit auch einen neuen Schub bekommen. Es geht nicht nur darum, dass wir um uns selber kreisen. Das Thema Einheit zeigt natürlich an, dass wir auch viel miteinander zu tun haben, aber die Einheit ist kein politischer Prozess, wo man sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, sondern die Einheit soll uns ja dazu ermuntern, das Evangelium in diese Gesellschaft hineinzutragen. Deswegen empfinde ich diese Gottesdienste immer wieder auch als eine Ermutigung, dass wir das als gemeinsame Aufgabe in diesem Land haben. In diesem Land, das viel Säkularität hat, aber auch sehr viele christlich engagierte Präsenz. Und da ist es einfach wunderbar, wenn wir sagen: Als Christen stehen wir da gemeinsam.
domradio.de: In diesem Land sind jetzt 500 Jahre vergangen, seit unsere Kirchen getrennt sind. Wie wahrscheinlich ist es, dass wir in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten wieder ganz zueinander finden, also auch am Abendmahlstisch?
Kardinal Marx: Ich glaube, wir sollten auch nicht zu sehr von Kirchenspaltung reden. Das habe ich in den letzten Jahren immer wieder gesagt, auch in der Vorbereitung auf dieses Reformationsgedenken. Christus ist ja nicht zerteilt. Wir sind ja in der gemeinsamen Taufe verbunden, das haben wir ja miteinander vor einigen Jahren in einer gemeinsamen Erklärung auch öffentlich gesagt. Und wer getauft ist, gehört zum Leib Christi.
Wir sind getrennt, wir haben unterschiedliche Positionen in manchen Fragen. Aber die Einheit ist doch auch sehr stark. Also insofern sollte man auch nicht übertreiben und sagen, die Christen seien gespalten, als wären sie auf zwei unterschiedlichen Kontinenten angesiedelt. Es gibt noch einiges zu tun, aber das, was wir tun, sollten wir auch tun - und das ist für mich die Verkündigung des Evangeliums.
domradio.de: Bei der Ökumene spielen natürlich auch orthodoxe Christen eine Rolle. Die sind seit der Zuwanderungswelle präsenter als zuvor. Wie steht es um die Beziehungen zur Orthodoxie?
Kardinal Marx: Der Papst hat ja den russisch-orthodoxen Patriarchen getroffen. Das war natürlich ein Schub, den wir in den vergangenen Jahren immer erwartet haben. Der Papst hat das jetzt gewagt und der russische Patriarch auch. Welche Folgen das hat, wird man sehen. Wir haben auch in der Orthodoxie natürlich eine riesige Diskussion über ihre Zukunftsorientierung, das Konzil war ja sehr schwierig. Das habe ich als katholischer Bischof nicht zu kommentieren, ich stelle einfach nur fest: Es gibt auch dort wie bei uns viele Diskussionen darüber, wie sich Kirche in einer modernen Gesellschaft neu auf den Weg machen soll.
Und da ist es hilfreich, dass wir im Gespräch miteinander bleiben. Gerade die Migranten haben ganz andere Erfahrungen gesammelt, Sie haben es erwähnt, es ist nicht nur eine religiöse Neuordnung, die sie finden müssen, sondern auch eine gesellschaftlich-kulturelle. Und da denke ich, ist es wichtig, dass wir als Christen im Gespräch bleiben und voneinander lernen. Auch wir müssen lernen, dass wir nicht immer auf dem hohen Ross sitzen und meinen, wir hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und wüssten alles ganz genau. Aber es ist eben eine gemeinsame Erfahrung auf den Weg zu bringen.
domradio.de: Konfessionelle Grenzen spielen im Alltag der Menschen heute kaum noch eine Rolle, an der Basis wird die Ökumene längst gelebt. Wie vermitteln Sie eigentlich diese theologischen Probleme den "ganz normalen" Christen an der Basis?
Kardinal Marx: Naja, manchmal ist es einfach ein Unwissen über die eigene Tradition, was natürlich auch nicht so glücklich macht. Das ist also auch ein Desinteresse an Theologie und den eigentlichen Fragen, wie zum Beispiel: Was ist denn unser Glaube, was bedeutet Eucharistie, was ist ein Priester? Und das macht mich dann nicht so ganz zufrieden, wenn wir einfach darüber hinweggehen und sagen: Ach das sind so theologische Belanglosigkeiten, über die man diskutiert, die haben eigentlich keine große Bedeutung. Das hilft der Ökumene überhaupt nicht, weder im evangelischen Bereich noch bei uns. Und wir beide, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und ich, haben öfter darüber gesprochen.
Und wir bedauern, dass das Interesse an der Ökumene gar nicht so groß ist wie wir manchmal hoffen. Das Interesse an der Ökumene würde ja nicht nur bedeuten, dass es uns eigentlich egal ist, was an Unterschieden da ist, sondern wir möchten vom anderen, von der Vielfalt auch lernen; von dem, was der andere in der Tradition gefunden hat. Und umgekehrt ist das ja auch eine Ökumene, die sich gegenseitig beschenkt. Aber wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir sagen können, wir sind in der Eucharistie vereint, aber dazu gehört auch, sich damit zu beschäftigen, was es bedeutet, die Heilige Messe zu feiern, was es bedeutet Abendmahl zu feiern, was es bedeutet einen Priester zu haben. Und da können wir noch etwas tun, und das würde vielleicht der Ökumene nicht schaden, sondern helfen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.