Dauerfrost in Deutschland ist für die Einrichtung in Haushalten kein Problem, da meistens durchgehend geheizt wird. In Kirchen sieht das anders aus, schließlich sind sie nicht dauerhaft bewohnt und dementsprechend hoch fallen die Temperaturschwankungen aus. Martin Struck ist Erzdiözesan-Baumeister und für Schäden an Kirchen zuständig.
domradio.de: Inwieweit bereitet Ihnen die aktuelle Kältewelle Bauchschmerzen, wenn Sie an die Kirchengebäude denken?
Martin Struck (Kölner Erzdiözesan-Baumeister): Bauchschmerzen würde ich nicht sagen, ich bin froh, dass mal ein richtiger kalter Winter kommt. Das hat auch Vorteile: Wenn es knackig kalt wird, dann ist die Luft draußen trocken und die ganze Feuchtigkeit, die oft ein großes Problem in unseren Kirchen ist, kann austrocknen. Andersherum gibt es ein Problem, wenn in Kirchen geheizt wird. Denn wenn ich an kalten Tagen mit geringer Luftfeuchtigkeit die Warmluftheizung hochdrehe, habe ich direkt ein Feuchteproblem.
domradio.de: Wir würden ja denken: lieber ordentlich heizen in den Kirchen und zwar überall in der Kirche und durchgehend. Ist das denn schlecht?
Struck: Das ist wirklich nicht gut. Da haben wir sehr schlechte Erfahrung mit gemacht. Die Heizung in Kirchen gibt es ja erst seit rund 150-180 Jahren. Früher war Heizen völlig unüblich, Kirchen sind keine Wohnzimmer, das sind öffentliche Räume, wie Marktplätze. Der Dom zum Beispiel ist unbeheizt. Vielen staunen immer wieder und sagen: "Wie? Der Dom ist unbeheizt?". Aber man kann so ein Volumen gar nicht vernünftig beheizen. In anderen Kirchen wird das mit Warmluftheizungen, mehr oder weniger gut gelöst. Der Nachteil dieser Heizung ist, dass die hölzerne Ausstattung - dazu gehören die Orgel, Werke, das Mobiliar, Skulpturen und vor allen Dingen Bilder - leiden, wenn ich an kalten Wintertagen zu hoch heize.
domradio.de: Besonders problematisch sind dann also Kirchen, die eine Heizung haben. Wie geht man dann damit am besten um?
Struck: Da versuchen wir Einsicht zu wecken, dass nur eine Temperierung stattfindet und keine Heizung. Das heißt: Es gibt Vorschläge, an die sich Kirchenvorstände oder Küster halten sollten und die sagen aus, dass eine maximale Temperatur von 12 Grad eingehalten wird. Ideal wäre zwischen 8 und 10 Grad. Und wenn man heizt, sollte die Temperatur nur sehr langsam angepasst werden. Es ist sehr schädlich, wenn sonntags um 10 Uhr eine Messe ist und um 9 Uhr wird volle Pulle aufgedreht mit der Hoffnung, dass es um 10 Uhr dann 18 bis 20 Grad warm ist. Das ist für die Ausstattung sehr problematisch.
domradio.de: Was zeigt denn der Blick in die Geschichte? Gab es da mal einen besonders harten Winter, in dem besonders viele und schlimme Schäden an Kirchen entstanden sind?
Struck: Nein, das kann man so nicht sagen. Es muss nicht so sein, dass bei einem kalten Winter die Schäden besonders groß sind. Schäden nimmt man erst im groberen Überblick über mehrere Jahre wahr. Das heißt Ausstattung, die zehn Jahre in einer Kirche verbracht hat, die zu stark beheizt wurde, zeigt dann Schäden.
domradio.de: Wie zeigt sich das?
Struck: In Holzskulpturen kommen zum Beispiel Risse in die sogenannte Fassung. Laienhaft gesagt: Der Anstrich dieser Skulpturen, der die Bewegung nicht mitmacht, diese Ausdehnung, der wölbt sich und kann dann absplittern. Das ist ein großes Problem! Und bei Orgeln gibt es das Problem, dass Holz reißen kann. Das sind die Folgen einer zu trockenen Luft.
domradio.de: Das heißt, Heizungsluft ist richtig schlecht, andererseits sind da die Gläubigen, die sich wünschen, dass es warm ist. Klingt nach einem Interessenskonflikt...
Struck: Das ist einer! Das ist auch schwierig. Mir als Konservator wird dann immer vorgeworfen: "Sie sitzen im warmen Büro, sie haben gut reden, aber hier vor Ort haben wir 8 bis 9 Grad und da ist kein würdiges Feiern mehr möglich, keine vernünftige Predigt, der man zuhören möchte. Da wird gebibbert." Das sehe ich ein. Gerade ältere Menschen frieren schneller. Aber ich versuche immer wieder dafür zu werben, dass diese Ausstattung, die wir seit Jahrhunderten in den Kirchen haben, das die uns auch anvertraut ist. Wir möchten sie unbeschadet in die Zukunft bringen. Man kann vielleicht in den Winterwochenenden kürzer predigen oder Glühwein hinterher oder vorher austeilen. Aber ja - in der Tat ist das ein Interessenskonflikt.
domradio.de: Wir haben grade von domradio.de Heizkissen für die Marienkapelle im Dom angeschafft, für die 8 Uhr Messe, das sind Akku-betriebene Kissen. Ist das auch wieder schlecht für den Dom?
Struck: Das ist eigentlich eine ideale Sache. Auch eine Bankheizung ist perfekt, da die Wärme viel geringer sein kann als bei einer Warmluftheizung. Die Wärme ist direkt da, wo der Körper sie braucht. Leider werden Bankheizungen elektrisch betrieben. Das geht anders noch nicht, aber man spart auch Energie, wenn man nur diesen kleinen Bereich temperiert und nicht die ganze Kirchenluft einheizt.
domradio.de: Könnten zum Beispiel Heizkissen oder Bankheizung ein gutes Modell auch für die anderen Kirchen sein?
Struck: Im Detail kenne ich das jetzt nicht, ich weiß nicht, wie man die Akkus auflädt und so weiter. Schwierig bei diesen Bankheizungen ist es, die Elektrik in das historische Gestühl zu montieren. Das könnte mit so einer Akkuvariante ganz gut funktionieren.
Das Interview führte Hilde Regeniter