Während seiner Zeit als Kirchenoberhaupt habe es keinen einzigen Versuch eines Staatsvertreters gegeben, sich in kirchliche Angelegenheiten einzumischen, sagte der Patriarch am Donnerstag laut Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Ebenso halte sich die Kirche aus staatlichen Dingen heraus.
Jedoch sei es die moralische Verantwortung der Kirche, das Wort zu ergreifen, wenn in Russland das Leben von Menschen beeinträchtigt werde, so Kyrill I. Die in den vergangenen 20 Jahren entstandene Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat entspreche ganz dem Verfassungsprinzip des säkularen Staates. Dieser Grundsatz sei beiden Seiten wichtig.
Appell gegen Abtreibung
Das Kirchenoberhaupt rief die Abgeordneten auf, gegen das "furchtbare Phänomen" der Abtreibung in Russland vorzugehen. Das "zynische Prinzip" in der russischen Gesellschaft, für das eigene Wohlergehen das Leben der Nachkommen zu opfern, müsse gestoppt werden. Hierzu schlug Kyrill I. auch Steuererleichterungen für Großfamilien mit niedrigen Einkommen vor.
In Russland werden laut Statistiken jährlich rund eine Million Schwangerschaften abgebrochen. Die Kirche fordert seit langem, dass Abtreibungen nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt werden. Im September unterschrieb der Patriarch eine Petition gegen die "legale Ermordung von Kindern vor der Geburt".
Für Annäherung zwischen Russen und Ukrainern
Scharf verurteilte Kyrill I. in seiner Rede Feindseligkeiten zwischen Russen und Ukrainern. Es müsse alles zur Überwindung des "furchtbaren Hasses" getan werden. Das Kirchenoberhaupt erinnerte an die lange Geschichte der "Blutsbande" beider Völker.
Im Januar 2015 hatte Kyrill I. als erstes Kirchenoberhaupt vor dem Unterhaus des Parlaments gesprochen. Die russische Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Glaubensgemeinschaften sowie eine Gleichbehandlung der Konfessionen vor. Die orthodoxe Kirche hat in dem Riesenreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark an Gewicht in Gesellschaft und Politik gewonnen.