Lob für Bischofsbrief

Hauptrolle für das Gewissen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Familienbischof Heiner Koch haben die Stellungnahme der deutschen Bischöfe zum Papstschreiben "Amoris latitia" zu Ehe und Familie begrüßt.

Der Papst fordert mehr miteinander zu reden.  / © Ingo Wagner (dpa)
Der Papst fordert mehr miteinander zu reden. / © Ingo Wagner ( dpa )

Die deutschen Bischöfe unterstützten und konkretisierten damit den Weg, den Papst Franziskus vorgezeichnet habe, sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg am Mittwoch in Bonn. Er sprach von einer "erneuerten Ehe- und Familienpastoral".

Sternberg lobte "den nun öffentlich bekundeten, einheitlichen Willen unserer Bischöfe, der Gewissensbildung und Gewissensentscheidung wiederverheiratet Geschiedener bezüglich des Empfangs der Sakramente eine zentrale Bedeutung zu geben."

Worten von Franziskus nichts hinzufügen

Ähnlich äußerte sich der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Er betonte, dass die deutschen Bischöfe mit ihrem neuen Familienpapier den Weg von Papst Franziskus gehen, indem sie wiederverheirateten Geschiedenen im Einzelfall den Empfang der Kommunion ermöglichen. "Wir als deutsche Bischöfe fügen den Worten von Papst Franziskus nichts hinzu. Wir greifen seine Initiative auf", sagte Koch am Mittwoch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Die deutschen Bischöfe nähmen hier "die Lehre der Kirche von der Unauflöslichkeit der Ehe ernst und wägen alle Aspekte ab, die der Papst in seinem Schreiben nennt", ergänzte der Berliner Erzbischof und Vorsitzende der bischöflichen Kommission für Ehe und Familie. Das führe zu einer differenzierten Beurteilung des Einzelfalls, in der die Menschen selbst ihre Gewissensentscheidung treffen müssten:
"Salopp formuliert ein Mittelweg zwischen 'Ich sage dir, was du tun musst und was gut für dich ist' und 'Mach doch, was du willst'."

Botschaft Jesu gerecht werden

Die Bischofskonferenz sei fest davon überzeugt, "dass dies die Intention im Wort und im Geist ist, die Papst Franziskus selbst wünscht und geht - und die wir mittragen", so Koch weiter. Er sei davon überzeugt, "dass wir jetzt hier sowohl dem Heiligen Vater und der Botschaft Jesu Christi gerecht werden als auch den Familien und den einzelnen Menschen".

Die deutschen Bischöfe wollen in Einzelfällen wiederverheirateten Geschiedenen einen Zugang zur Kommunion ermöglichen. "Eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren", heißt es in dem Bischofswort. Zugleich betonen sie, dass es keinen "Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung aller zivilrechtlich wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten" gebe. Der Gewissensentscheidung müssten eine ernsthafte Prüfung und ein von einem Seelsorger begleiteter geistlicher Prozess vorausgehen.

Auf dem Weg "zu einer verantworteten Gewissensentscheidung ist eine intensive Begleitung von großer Bedeutung", betonte Sternberg. Die Neuausrichtung der seelsorgerischen Praxis von "begleiten - unterscheiden - eingliedern" entspreche der Leitlinie, die Papst Franziskus vorgegeben habe. "Darauf haben viele katholische Frauen und Männer lange und unermüdlich gewartet und dafür gebetet." Diejenigen, die den Weg der Gewissensbildung begleiteten, bräuchten "die Rückendeckung und das Vertrauen der Bischöfe und der Kirchengemeinden", forderte Sternberg.

Kein normativer Anspruch

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte kirche-und-leben.de, das Schreiben erhebe nicht den Anspruch, normative Aussagen zu treffen. Die Bischöfe griffen positiv die vom Papst vorgenommene "Rehabilitierung" des katholischen Gewissensbegriffs auf. In den "wirklich wichtigen" Entscheidungen gelte das Gewissen, sagte Schüller. Er schließe aber nicht aus, dass es trotz "Amoris laetitia" und dem Bischofswort "weiterhin zu unterschiedlichen Verhaltensweisen vor Ort" komme.

Nach Ansicht der Gruppe "Wir sind Kirche" ist das Bischofswort "eine erste einladende 'Lesehilfe' und Konkretisierung" von "Amoris laetitia". Es sei aber bedauerlich, "dass es mehr als neun Monate gedauert hat, bis sich die deutschen Bischöfe auf gemeinsame Aussagen haben einigen können".

Keine Interpretation

Die vatikanische Glaubenskongregation hat sich erneut gegen eine Auslegung des Papstschreibens zu Ehe und Familie durch einzelne Bischöfe ausgesprochen. "Der Papst interpretiert die Bischöfe, es ist nicht an den Bischöfen, den Papst zu interpretieren", sagte der Präfekt der Kongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der italienischen Zeitschrift "Il Timone".

Es sei nicht korrekt, dass viele Bischöfe "Amoris laetitia" gemäß ihrer eigenen Vorstellung von der Lehre des Papstes auslegten. Dies sei nicht mit der Doktrin vereinbar. Ähnlich hatte sich der Kurienkardinal bereits im Dezember 2016 im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur geäußert. Damals sagte er: "Nur in Treue zur Lehre der Apostel, dem Ganzen des geoffenbarten Glaubens, können sich die Bischöfe einer Konferenz zum Beispiel zur pastoralen Anwendung von 'Amoris laetitia' äußern. Sonst würde die Kirche in Nationalkirchen zerfallen und am Ende sich atomisieren."

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann erläuterte, dass das Papstschreiben eine differenzierte Betrachtung der Situationen wiederverheirateter Geschiedener empfehle. Dies fordere ein hohes Maß an Verantwortlichkeit. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick betonte, dass es eine «Zulassung» zur Beichte oder zur Kommunion nicht geben könne. Vielmehr sollten und könnten die Kirche, Gläubige und Priester «die Gewissensentscheidung der Katholiken, die in irregulären Situationen leben, annehmen». Der Verstoß gegen ein Gebot wie das der Unauflöslichkeit der Ehe könne im Einzelfall nicht oder nicht mehr schwere Sünde sein.

Nur der Papst legt aus

Im aktuellen Interview stellte Müller erneut klar: "Die Lehren des Papstes werden nur von ihm selbst ausgelegt oder durch die Glaubenskongregation". Eindeutige Aussagen zur Deutung von "Amoris laetitia" kamen bisher weder von der Glaubenskongregation noch von Papst Franziskus. Der Papst war von vier Kardinälen öffentlich zur Klärung aufgefordert worden. Sie wollten etwa wissen, ob eine Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen nach seinem Schreiben "Amoris laetitia" nun in Ausnahmefällen möglich sei.

Das Papstschreiben sei "klar im Licht der gesamten kirchlichen Doktrin zu interpretieren", bekräftigt der Präfekt der Glaubenskongregation seine Sicht dazu erneut. "Wir sind aufgefordert, den Menschen zu helfen, Schritt für Schritt zur Vollkommenheit in ihrer Beziehung mit Gott zu gelangen, aber wir können keinen Nachlass gewähren."


Quelle:
KNA