Zum 125. Geburtstag des ukrainischen Kardinals Josyf Slipyj

Aus sibirischen Konzentrationslagern in den Vatikan

​1945 wollte Stalin der griechisch-katholischen Kirche den Garaus machen. Tausende starben. Auch für Erzbischof Slipyj begann ein langer Leidensweg. Nach Errettung lebte er in Rom, kämpfte aber weiter für seine Kirche.

Autor/in:
Karl Peters
Kardinal Josyf Slipyj / © KNA-Bild (KNA)
Kardinal Josyf Slipyj / © KNA-Bild ( KNA )

Seit dem Ende der Sowjetunion strebt die mit Rom unierte griechisch-katholische Kirche beharrlich die Aufwertung zu einem eigenen Patriarchat an - sehr zum Ärger des russisch-orthodoxen Patriarchats in Moskau. Denn über lange Jahrzehnte, im Sowjet-Kommunismus, gab es diese traditionsreiche Ostkirche überhaupt nicht mehr. Sie wurde im März 1946 in die russisch-orthodoxe Kirche zwangsintegriert.

Eine ihrer Schlüsselfiguren jener Jahre war der ukrainische Kardinal Josyf Slipyj, Erzbischof von Lemberg und Großerzbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Er wurde vor 125 Jahren, am 17. Februar 1892, geboren; in Sasdrist, heute Oblast Ternopil im Westen des Landes.

Kein Bischof mehr verfügbar

Am 11. April 1945 wurde Erzbischof Slipyj zusammen mit dem gesamten Episkopat des Landes verhaftet. Als dann Stalin 1946 eine Synode einberufen wollte, um die katholische Ostkirche sich selbst auflösen zu lassen, war kein Bischof mehr verfügbar, der sie hätte einberufen können.

Das Moskauer Patriarchat wusste Abhilfe. Flugs wurden einige ukrainisch-katholische Priester unter massiven Druck gesetzt und zu orthodoxen Bischöfen geweiht. Die wenigen Teilnehmer mussten die Synode einberufen und erklärten schließlich die Union von Brest aus dem Jahr 1596, mit der sich diese Kirche dem Papst unterstellt hatte, für null und nichtig.

Kirche lebte im Untergrund weiter

Die russisch-orthodoxe Kirche stand zur Übernahme des Erbes bereit, der sowjetische Staat zur Verhaftung aller, die sich widersetzten. Und das waren viele. Sie gaben ihr Leben für die Treue zu Papst und Einheit der katholischen Kirche. Allein 1.400 Priester und 800 Ordensfrauen starben in den Lagern. Die Zahl der umgekommenen Laien gab Slipyj seinerzeit mit "mehreren zehntausend" an. Er selbst verschwand für 18 Jahre in sowjetischen Gefängnissen und sibirischen Konzentrationslagern.

Ungeachtet der "mit großer Gewalt" durchgeführten Liquidierung der ukrainisch-katholischen Kirche lebte diese im Untergrund weiter. In Privatwohnungen, in Wäldern und anderen Verstecken feierten die Gläubigen Gottesdienste. "Wanderpriester", die sich hatten verbergen können, kamen in die Dörfer, trauten Paare, tauften Kinder, spendeten andere Sakramente und zogen weiter.

Priesterausbildung im Untergrund

Es gab auch Nachwuchs für diese gefahrvolle Aufgabe: Im Untergrund erfolgte die Priesterausbildung, im Untergrund die Weihe. Wenn jedoch kein Bischof mehr in dem hermetisch abgeriegelten Land war, konnte auch im Untergrund kein Priester mehr geweiht werden.

Und mit Slipyj sollte 1963 der letzte Bischof die Sowjetunion verlassen. Als ein spektakulärer Erfolg vatikanischer Diplomatie wurde er aus sowjetischer Gefangenschaft freigelassen. So wie die Dinge damals zwischen Sowjetunion und Heiligem Stuhl lagen, musste die genehmigte Ausreise des Oberhauptes der ukrainisch-katholischen Kirche nach Rom als geradezu utopisch erscheinen.

Weihe in der Abstellkammer

Doch die Katholiken waren damals so sehr auf die Verfolgungssituation eingestellt, dass sie trotz der überstürzten Ausreise noch Umsicht walten ließen. Bei einer Zwischenlandung in Moskau gelang es Slipyj, in der Abstellkammer seines Hotels den Priester Wasyl Welytschkowskyj zum Bischof zu weihen. Dieser nahm später weitere geheime Bischofsweihen vor - so dass auch im Untergrund der Priesternachwuchs gesichert war.

Am 16. Februar 1963 traf Slipyj in Rom ein. Mit vielen Ehren wurde er als «Märtyrerbischof» empfangen. Papst Johannes XXIII. verlieh ihm den höchsten Titel einer katholischen Ostkirche: Er wurde Großerzbischof und beim Konsistorium 1965 zum Kardinal erhoben.

Keine Hilfe aus dem Vatikan

Wenn der so Gefeierte allerdings gehofft hatte, von Rom aus Hilfe für seine verfolgte Kirche erhalten zu können, stellte sich das bald als Irrtum heraus: Im Vatikan war man äußerst bemüht, die Ökumene mit der russischen Orthodoxie voranzubringen - mit einigem Erfolg übrigens.

Aber die ukrainisch-katholische Kirche war auf diesem Weg ein Stolperstein, und Kardinal Slipyj ein besonders großer. Allein seine Anwesenheit in Rom weckte in Moskau Empfindlichkeiten.

Diplomatische Schwierigkeiten

Die weiteten sich noch aus, als 1978 der Pole Karol Wojtyla als Johannes Paul II. sein Pontifikat antrat. Als dieser dem Kardinal am Josefstag einen Gratulationsbesuch zum Namenstag abstattete, begann eine neue Eiszeit zwischen den "Schwesterkirchen". Slipyj starb 1984 im Alter von 92 Jahren. Weder das Ende der Sowjetunion 1991 noch die offizielle Wiederzulassung seiner Kirche 1989 und ihr erneutes Aufblühen hat er miterleben können.

Bis heute ist das Thema "Unierte" zwischen Rom und Moskau von höchster diplomatischer Brisanz. Dabei versteht sich die ukrainisch-katholische Kirche selbst als Brücke zwischen beiden Konfessionen, weil sie durch die byzantinische Liturgie und ihre Kanones die orthodoxe Spiritualität mit dem Katholizismus verbindet.


Quelle:
KNA