Handydaten sollen Identität von Asylbewerbern klären

"Asylsuchende unter Generalverdacht"

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ist gegen das geplante Gesetz, durch das alle Mobilfunkdaten von Asylbewerbern ohne Zustimmung ausgelesen werden dürfen. Im domradio.de-Interview erklärt Stefan Keßler die Gründe für die Ablehnung.

Flüchtling mit Handy / © Kay Nietfeld (dpa)
Flüchtling mit Handy / © Kay Nietfeld ( dpa )

domradio.de: Herr Keßler, ist es nicht gerechtfertigt, Daten aus Mobiltelefonen von Asylbewerbern zu nutzen, um ihre Identität festzustellen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt?

Stefan Keßler (Referent für Politik und Recht beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Berlin): Das Problem ist, dass gleich zu Anfang des Asylverfahrens dieser Schritt angewendet werden soll, bevor geprüft worden ist, ob der Asylantrag zu einer Anerkennung als Flüchtling führt. Asylsuchende werden also durch dieses Gesetz unter den Generalverdacht gestellt, über ihre Identität zu lügen. Nach unserer Erfahrung ist dieser Generalverdacht völlig unberechtigt. Wir haben möglicherweise auch erhebliche Datenschutzprobleme, weil erst einmal alle Daten ausgelesen werden sollen und niemand genau weiß, was mit den ausgelesenen Daten von Seiten der Behörde passieren soll. Gleichzeitig ist nicht zu erkennen, ob mit diesem geplanten Gesetz viel gewonnen sein könnte.

domradio.de: Bislang ist das Auslesen von Mobilfunkdaten bei Flüchtlingen nur dann gesetzlich erlaubt, wenn Verdacht auf Straffälligkeit besteht. Ist diese Regelung in Ihren Augen legitim?

Keßler: Bei Strafverfolgung könnte ein Eingriff in die Privatsphäre bzw. das Post- und Kommunikationsgeheimnis unter Umständen gerechtfertigt sein. Aber hier geht es nicht um den Verdacht von Straftaten, sondern um die Identitätsfeststellung von Geflüchteten am Anfang des Asylverfahrens. Eine Gleichsetzung von Straftätern und Asylsuchenden aber ist völlig unberechtigt.

domradio.de: Für Sie birgt dieser Gesetzesentwurf aber noch weitere problematische Veränderungen …

Keßler: Ja, zum Beispiel soll die Abschiebungshaft massiv ausgeweitet werden, was erhebliche rechtsstaatliche Probleme mit sich bringen würde. Als neuer Abschiebegrund würde die Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingeführt, ohne dass dies irgendwo klar definiert wäre. Das heißt, die Richter müssten über einen völlig unbestimmten Haftgrund entscheiden.

domradio.de: Auch für minderjährige Flüchtlinge könnte dieses geplante Gesetz problematische Auswirkungen haben …

Keßler: Ja, weil Jugendämter dazu verpflichtet werden sollen, sehr schnell für unbegleitete Minderjährige Asylanträge zu stellen. Dadurch haben sie viel zu wenig Zeit, um den Fall frühzeitig sauber zu prüfen und anhand der Einzelfallumstände zu entscheiden, ob ein Asylantrag tatsächlich Sinn macht.

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Stefan Keßler / © Kirchenzeitung
Stefan Keßler / © Kirchenzeitung
Quelle:
DR