Manuel Schroeder und Texturen der Apokalypse

"Der Punkt der höchsten Konzentration"

Fotograf und Bildender Künstler Manuel Schroeder hat sich für die katholische Kirche entschieden. In seiner Kölner Ausstellung "Texturen der Apokalypse" spiegelt er Alltagsmomente. Im domradio.de-Interview gibt er Einblick in sein Schaffen.

End-Paarung von Manuel Schroeder / © N.N. (privat)
End-Paarung von Manuel Schroeder / © N.N. ( privat )

domradio.de: Am diesjährigen Aschermittwoch haben Sie im Gottesdienst in der Kölner Basilika St. Aposteln das Gebet der Künstler gesprochen. Wie sind Sie mit der Kirche in Kontakt gekommen?

Manuel Schroeder (crossmedialer Künstler): Für mich ist der Künstlerseelsorger des Erzbistums Köln Prälat Josef Sauerborn eine Schlüsselfigur, weil er immer wieder und auf überzeugende Weise eine Brücke gebildet hat zwischen der katholischen Kirche und der Kunst. Insofern war es für mich auch keine Frage, ein Bekenntnis abzulegen und mit 45 Jahren der katholischen Kirche beizutreten. Das war für mich etwas Besonders.

domradio.de: Was verbinden Sie mit Apokalypse?

Manuel Schroeder: Mit Apokalypse verbinde ich Dinge, die im realen Leben täglich stattfinden. Sie ist für mich persönlich eine Studie zum Leben. Eine Anregung, sich mit den Fakten der Transformationen im Alltäglichen, der Verabschiedungen von alten Denkmustern und von Botschaften auseinanderzusetzen.

domradio.de: Mit Apokalypse verbinden wir eher Endzeit und Sie sprechen von Auseinandersetzung mit dem Leben. In welchen Lebensdetails steckt die Apokalypse?

Schroeder: Das Interessante ist, wenn man sich mit der Apokalypse künstlerisch auseinandersetzt, dass man sie herbeiführen kann. Man muss nicht passiv warten, sondern wenn man das Spiel begreift, etwas zu beenden, dann findet man heraus, dass genau dies eine große Chance beinhaltet. Es ist die Chance zu einem Neuanfang.  

domradio.de: Diese Vorstellung hat in Ihren Werken sehr unterschiedlich Ausdruck gefunden. Welche Themen haben Gestalt angenommen?

Schroeder: Das Spannende in den ausgestellten Werken im Bereich von Collage und De-Collage ist, dass allein in einem einzigen Motiv vielfache Apokalypse beim Erschaffen des Werkes stattgefunden hat.  

domradio.de: Nehmen wir ein konkretes Beispiel. In Ihrer Reihe „End-Paarung“ sieht man schemenhaft Menschenköpfe, die einander zugewandt oder abgewandt sind. Wo ist da die Apokalypse nach Ihrem Verständnis?

Schroeder: Die Apokalypse ist auch schon im Titel angedeutet. Sie liegt darin, dass die Beziehung, die wir nach außen hin wahrnehmen oder auch präsentiert werden, in vielen Fällen eine gewisse Leidenschaft verloren haben, ihren Charakter. So, wie die Menschen sich zeigen, entspricht es häufig nicht ihrem Sein.

domradio.de: Beziehungslosigkeit ist die Apokalypse von heute – erleben Sie das so?

Schroeder: Wir haben eine sehr, sehr starke mediale Gesellschaft. Das Interessante ist, dass man inzwischen Beziehungen über das Mediale führt und tatsächlich glaubt, es sei real. Und immer kann das Vereinfachen von Beziehungen dadurch stattfinden, dass man einen Knopf bedient und sagt: "Ab hier ist vorbei". Die Konfrontation und die reale Kommunikation mit allen Sinnen finden seltener statt als früher. Mir ist ganz wichtig, und das soll auch in den Bildern dargestellt werden: Menschen besitzen kaum Kontext.  

domradio.de: Ihre Bilderwelt in der Ausstellung läuft nicht weg wie eine Bildergalerie auf dem Smartphone. Geht es um Zerstörung oder um die Suche nach einem neuen Zusammenhang?

Schroeder: Mir persönlich geht es weniger um die Zerstörung, sondern eher darum, einen Nullpunkt zu setzen. Das symbolisiert die Farbe Schwarz – sie ist Kontemplation, der Moment des totalen Innehaltens. Ich nutze diese Farbe völlig wertfrei. Für mich ist sie der Punkt der höchsten Konzentration, denn es geht nicht tiefer.

domradio.de: Sie haben für Ihre Kunst viel Kontakt zu Menschen gesucht, Menschen im Arbeitsamt oder am Rande der Gesellschaft. Was hat Sie dahingezogen?

Schroeder: Generell ist für mich künstlerische Arbeit überhaupt nicht von der Gesellschaft zu trennen. Im Englischen heißt fotografieren so schön „to take a picture“.  Das bedeutet für mich als Fotograf und Künstler, dass ich dem Kontext der Gesellschaft ein Bild entnehme. Das wiederum führt dazu, dass ich als Künstler in die Verantwortung gehe, der Gesellschaft ein Bild wiederzugeben – ein transformiertes Bild. Das bedeutet auf jeden Fall, dass es ein Nehmen und ein Geben ist.   

domradio.de: Glauben Sie, dass Kirche und Künstler sich gegenseitig inspirieren können?

Schroeder: Beiden liegt ja der Begriff Inspiration zu Grunde. Das kann ja nur eine gelungene Symbiose erzeugen. Das ist ganz klar für mich.  

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Quelle:
DR