Deutscher Pfarrer in Südafrika zum Jubiläum des Apartheidendes

"Demokratie entsteht nicht über Nacht"

In Südafrika jährt sich das Ende des rassistischen Apartheidregimes. Was von den damaligen Versprechungen umgesetzt wurde, erzählt Stefan Hippler im Interview. Er war zwölf Jahre lang Pfarrer der katholischen Gemeinde in Kapstadt.

Junge Menschen in Südafrika / © Nic Bothma (dpa)
Junge Menschen in Südafrika / © Nic Bothma ( dpa )

domradio.de: Ist Südafrika heute tatsächlich ein besserer Ort zum Leben als früher?

Pfarrer Stefan Hippler (Ehemaliger Priester der deutschsprachigen römisch-katholischen Gemeinde in Kapstadt und AIDS-Aktivist): Darüber streiten sich die Südafrikaner momentan kräftig. Ich denke, insgesamt gesehen: Ja! Wir sind weitergekommen, aber die Demokratie kommt natürlich nicht über Nacht, auch nicht über 20 oder 30 Jahre. Wir sind in den Pflegejahren der Demokratie. Es wird vieles ausprobiert, es wird geschaut, was im afrikanischen Kontext geht, und was nicht geht. Das kann sehr turbulent sein. Das Leben vieler Menschen hat sich verbessert, aber viele Menschen stehen immer noch im Schatten der Gesellschaft und fühlen sich allein gelassen. 

domradio.de: Merken Sie in Ihrem Alltag als Seelsprger und AIDS-Aktivist denn noch Spuren der Apartheid?

Hippler: Ja, man merkt durchaus noch Spuren der Apartheid. Zum Beispiel, wenn man in die Townships fährt: Es gibt schwarze Townships, und es gibt coloured (bunte) Townships. Die Menschen leben dort noch je nach ihrer Hautfarbe. Auch in der Frage der Armut ist sehr klar, dass die meisten armen Menschen schwarz sind. Es hat sich für viele, die gerade auf dem Land leben, sehr wenig getan und von daher ist die wichtigste Frage, die auch im Parlament diskutiert wird, die Frage der Landverteilung. Wie kann man das Land gerecht verteilen, das damals in der Apartheid einfach Menschen weggenommen wurde. Und da gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine, die in der Verfassung niedergeschrieben ist, ist, dass der Staat den Menschen, denen das Land gehört, das Land abkauft. Und die andere ist die, die auch in Simbabwe geschehen ist, dass das Land einfach genommen wird. Und momentan kippt die Stimmung auch beim Präsidenten, so dass er schon sagt, dass das Land genommen werden müsse, ohne etwas zu zahlen. Und was dann in Südafrika passieren würde, kann man derzeit in Simbabwe leider schon sehen.

domradio.de: Es war damals die Errichtung von Krankenhäusern und Anti-AIDS-Programmen geplant. Was wurde von diesen Plänen umgesetzt?

Hippler: Was sicherlich in den vergangenen Jahren sehr gut gelaufen ist, ist, dass man versucht hat, das Gesundheitssystem breiter zu fassen. Das heißt, dass die Regierung begonnen hat, sogenannte Township-Kliniken zu schaffen, so dass jeder eine Grundversorgung erhalten hat. Leider geschah dies zu Lasten der großen Hospitäler, der akademischen Hospitäler. Dort ist so manches kaputt und kann nicht repariert werden, weil das Geld fehlt. Aber die Grundversorgung ist heutzutage in Südafrika allerorts auf eine gute Norm gebracht.

domradio.de: Wie arbeiten Sie denn als katholischer Pfarrer daran, die Situation der Menschen dort zu verbessern?

Hippler: Ich arbeite mit dem Projekt "HOPE Cape Town”, dass sich mit HIV-positiven Kindern und Familien beschäftigt und deswegen komme ich sehr viel in Townships und in Berührung mit dem normalen Leben derjenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Ich versuche dort, einzelne Leben zu verändern und darauf auszurichten, dass es ein besseres Leben und Hoffnung gibt. Und im Bereich HIV/AIDS kommt es ja nicht nur darauf an, eine Epidemie zu verhindern, sondern Menschen realistisch zu sehen, in ihrer Armut, in dem, was sie alles nicht haben, und zu versuchen ihnen die Chancen zu geben, damit sie ein produktives, sinnerfülltes Leben führen. Das macht meine tägliche Arbeit hier in Südafrika aus. 

domradio.de: Wie viel bekommen sie persönlich von der Armut in Südafrika mit?

Hippler: Ich bin jede Woche in den Townships unterwegs. Das heißt, ich komme in Kontakt mit Menschen, die im Prinzip gar nichts haben und davon leben, dass der Staat ihnen ab und zu ein bisschen Geld gibt, einen sogenannten Staatsgrand gibt, aber ansonsten wenig haben. Hier haben Menschen teilweise unter zwei Dollar pro Tag, also unter der Armutsgrenze, die die UN aufgestellt hat. Mit diesen Menschen bin ich wöchentlich in Berührung, spreche mit ihnen und versuche dort auch zu helfen.

Das Interview führte Miriam Ottmanns.


Pfarrer Stefan Hippler / © HOPE Cape Town Trust
Pfarrer Stefan Hippler / © HOPE Cape Town Trust
Quelle:
DR