In Berliner U-Bahnhöfen gibt es noch Kunst vom Kirchentag 2003

Unverwüstliches Segenszeichen

Kunst strebt nach Unvergänglichkeit. Im Berliner Untergrund ist dieser Anspruch Wirklichkeit geworden. Davon können sich die Besucher des Deutschen Evangelischen Kirchentags im Mai überzeugen.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe
U-Bahn-Fahrgäste in Berlin / © Hauke-Christian Dittrich (dpa)
U-Bahn-Fahrgäste in Berlin / © Hauke-Christian Dittrich ( dpa )

Passanten strömen die Treppen hinunter, hasten auf den Bahnsteig: Im Berliner U-Bahnhof "Kurfürstendamm" ist Tag und Nacht Betrieb. Da ist ein großes, goldenes Quadrat an der Wand des Treppenhauses leicht zu übersehen. Es ist ein letzter Gruß des ersten bundesweiten Ökumenischen Kirchentags, der 2003 in der Bundeshauptstadt stattfand. Damals installierte der Berliner Künstler Winfried Muthesius mehr als 100 solcher Quadrate in den U- und S-Bahnhöfen der Berliner Innenstadt.

Am Kurfürstendamm, am Zoologischen Garten, am Alexanderplatz oder dem S-Bahnhof Brandenburger Tor, der damals noch "Unter den Linden" hieß.

"Segenszeichen im Untergrund"

Sie hingen neben Rolltreppen und Papierkörben, in Treppenhäusern und zwischen Werbetafeln. Und sie hatten ein Ziel: "Es sollten kleine Segenszeichen im Untergrund sein", erinnert sich Muthesius. "Golden Fields" nannte der Künstler seine Aktion, "Goldene Felder". Auch wenn die Quadrate nicht aus Gold waren: Den Plan von Muthesius, die Quadrate mit Blattgold zu bedecken, fanden die Organisatoren des Kirchentags zu protzig. Stattdessen wurde es Schlagmetall.

Verletzbare Kunst

Dass seine Werke die Zeit überdauert haben, hat auch den Künstler überrascht. "Es war geplant, dass sie mit der Zeit verblassen, zerkratzt und entfernt werden", sagt Muthesius. "Zerstörbar" und "verletzbar" sollten die Quadrate sein, heißt es auch im Katalog zu der Aktion, die der damalige Münsteraner Kunsthistoriker Thomas Sternberg verfasste, heute Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Doch das reale Leben ist manchmal nicht planbar: Berlins Verkehrsbetriebe hatten eine Firma beauftragt, die U-Bahnhöfe vor Graffitti zu schützen. Deren Mitarbeiter brachten eine Schutzschicht an den Wänden an. Auf manchen U-Bahnhöfen wurden die goldenen Quadrate dadurch hart wie Stein. "Die kriegt man einfach nicht mehr ab", sagt Muthesius. Dass manche der Segenszeichen von 2003 auf diese Weise auch für die Besucher des Evangelischen Kirchentags im Mai sichtbar sind, freut den Künstler.

Faszination Gold

Goldene Flächen gehören weiterhin zu den künstlerischen Markenzeichen von Muthesius. In der Münchner Glyptothek hängt eine seiner Arbeiten hinter einer Statue des Gottes Apollo; in der katholischen Berliner Kirche Sankt Canisius ist sie das Altarbild. "Mich fasziniert diese Farbe, vor allem in dunklen Räumen", erklärt Muthesius. Dann gehe ein geheimnisvoller, warmer Glanz von ihr aus. Goldene Flächen hätten etwas "Sakrales, Introvertiertes, in sich Gekehrtes".

Mit seinen neuesten Arbeiten versucht Muthesius, das Thema weiterzudenken: Er bringt goldene Quadrate an sozialen Brennpunkten an - etwa unter der Brücke am Berliner Bahnhof Zoo. Dort allerdings durchzieht ein dunkler Riss das goldene Segenszeichen.


Quelle:
KNA