domradio.de: Auf einem Nachbargrundstück zum geplanten Moscheebau wurden Holzkreuze als Zeichen des Protestes aufgestellt. Gegen den Missbrauch eines christlichen Symbols hatten sich das Bistum Erfurt und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland bereits in einer gemeinsamen Erklärung gewandt. Die Frist, diese Kreuze wieder abzubauen, ist verstrichen. Stehen die Kreuze noch oder wurden sie abgebaut?
Winfried Weinrich (Leiter des katholischen Büros in Erfurt): Meines Wissens stehen die Kreuze noch und sind noch nicht abgebaut. Ich rechne damit, dass die Mainzer Aufbaugesellschaft, die die Eigentümer des Nachbargrundstücks des künftigen Moscheeneubaus der Ahmadiyya-Gemeinde ist, jetzt mit rechtlichen Schritten gegen die mutmaßlichen Verursacher vorgehen wird.
domradio.de: Von katholischer und evangelischer Seite wurde dieser Schritt verurteilt. In einem gemeinsamen Statement heißt es: "Das Kreuz als Symbol des Christentums ist ein Zeichen der Gewaltlosigkeit, kein Kampfeszeichen." Wieso wird es dann an der Stelle überhaupt aufgestellt?
Weinrich: Das ist das für uns nicht Nachvollziehbare, dass die mutmaßlichen Verursacher, die das Kreuz aufgestellt haben, hier das Kreuz instrumentalisieren wollen. Damit wollen sie der Ahmadiyya-Gemeinde ein Zeichen geben, dass sie hier nicht willkommen sind. Das ist für uns als Kirche nicht nachvollziehbar. Wir stehen dazu, dass es natürlich auch Moscheeneubauten geben kann. Dazu muss es vor Ort in Marbach Diskussionen geben, die auch schon laufen. Aber man kann nicht ein Symbol des Christentums in Stellung bringen und es als ein Zeichen instrumentalisieren, dass hier gegen eine andere Religionsgemeinschaft ausgespielt werden soll.
domradio.de: Die Christen sind in Erfurt in der Minderheit, Katholiken noch mehr als Protestanten. Wie steht die Stadtgesellschaft in Erfurt zu der Debatte?
Weinrich: In Marbach selbst ist es nicht einfach. Da gibt es unterschiedliche Positionen, die auch teilweise kontrovers gegeneinander stehen. Hier kommt es darauf an, auch kommunalpolitisch sehr umsichtig zu handeln, die unterschiedlichen Positionen zusammenzubringen und ins Gespräch zu bringen. Religion im öffentlichen Raum ist aufgrund der Geschichte und der zurückliegenden Diktaturen, die in der Zeit vor 1989 auch das Religiöse grundsätzlich ins Private verdrängen wollten, ein generelles Problem in den neuen Bundesländern. Für den Großteil der Bürger ist es schwer zu akzeptieren, dass Religion nicht nur eine Privatsache ist, sondern auch eine öffentliche Dimension hat. Diese öffentliche Dimension wird auch in den Räumen im Bau eines Gebäudes für eine religiöse Gemeinschaft deutlich. Daher ist das in den neuen Bundesländern schwieriger, was wir gerade hier auch in Erfurt erleben.
Das Interview führte Silvia Ochlast.