Insgesamt seien in den vergangenen sieben Jahren knapp 68.000 religiöse Organisationen ins Leben gerufen worden, meldete die Zeitung unter Berufung auf Behördenangaben. Meist handelt es sich um evangelikale Kirchen, die insbesondere in ärmeren Viertel entstehen und vor allem der katholischen Kirche die Gläubigen streitig macht.
Ein Grund des Booms, von dem auch zahlreiche Sekten und andere fragwürdige Gruppen profitieren, ist eine umfassende Steuerbefreiung für religiöse Einrichtungen. Viele davon finanzieren sich ausschließlich von Spenden und Zuwendungen der Mitglieder. Große wie kleine evangelikale Kirchen, bei denen die Abtretung eines Zehntels des Familieneinkommens traditionell üblich ist, sind für die Pfarrer und die Kirchenleitung oft ein einträgliches Geschäft. Ein Fünftel der Neuregistrierungen sind dem Zeitungsbericht zufolge Filialen bereits an anderen Orten existierender Kirchen.
Evangelikale Sekten gewinnen an Einfluss
In kaum einem Land gewinnen evangelikale Sekten so einen Einfluss - und sind für die katholische Kirche eine immer größere Konkurrenz. Oft reicht ein angemietetes Ladenlokal, dort werden die Messen abgehalten. Die Gruppen finanzieren sich oft vor allem über Spenden ihrer Mitglieder.
Im Prinzip kann jeder Bürger recht unbürokratisch eine neue religiöse Gruppe registrieren lassen. Auch der Regierung von Präsident Michel Temer gehören mehrere Anhänger solcher Sekten an. Der inzwischen wegen Korruptionsvorwürfen inhaftierte frühere Parlamentspräsident Eduardo Cunha, Treiber der Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff, hat weiterhin starken Rückhalt in der Evangelikalen-Bewegung.
Im für seine Freizügigkeit bekannten Rio de Janeiro wurde im Herbst 2016 der Ex-Sektenbischof Marcelo Crivella zum neuen Bürgermeister gewählt. Er gehört der "Universalkirche des Königreichs Gottes" an. Homosexualität sieht er als Krankheit an, über Schwarze sagte er mal, sie würden vor allem Cachaça-Schnaps und Prostitution mögen. Crivella boykottierte in diesem Jahr auch demonstrativ den Karneval in Rio.