Johannes Waedt hat sich auf den Gottesdienst gut vorbereitet: Neben dem Altar in der Martinskirche liegen die Ersatzteile eines Autos. Als er in der Predigt darüber spricht, wie wichtig ein funktionierender Motor und guter Sprit sind, nimmt er die Bauteile in die Hand. 40 Besucher sind an diesem Sonntag in das klimatisierte, hellbeige Zelt gekommen, das Mitte März zur Kirche geweiht wurde. "Das ist im Einsatz immer sehr unbürokratisch", sagt Waedt. Die ökumenische Zeltkirche steht im Norden Malis. Dort findet aktuell der größte Einsatz der Bundeswehr statt.
Der Einsatz ist Teil der Blauhelm-Mission Minusma. Ziel der Vereinten Nationen ist es, den langwierigen und komplizierten Friedensprozess im Norden Malis zu begleiten. Das westafrikanische Land erlebte Ende 2011 erst einen Tuareg-Aufstand. Im März 2012 putschten Teile der Armee. Nur zwei Wochen später begannen verschiedene islamistische Gruppierungen, die Region zu besetzen.
Weiterhin Anschläge in Mali
Im Januar 2013 marschierte im Rahmen der Operation Serval die französische Armee ein - Stabilität brachte dies jedoch nicht, ebenso wenig der 2015 geschlossene Friedenspakt von Algier. Trotz Blauhelm-Soldaten kommt es in Mali weiterhin regelmäßig zu Anschlägen. Nicht immer sind es islamistische Gruppierungen. Auch Banditen sorgen für Unsicherheit und Angst.
Auf das deutsche Kontingent gab es bisher keinen Anschlag, wohl aber auf die Soldaten der gemischten Patrouille, der MOC. 70 Personen kamen dabei bislang ums Leben. Nahezu täglich berichten malische Medien von versuchten Angriffen. Es gelten strenge Sicherheitsvorschriften. All das sind Eindrücke, mit denen die Soldaten umgehen müssen.
"Natürlich bin ich Ansprechpartner, wenn sie Sorgen und Nöte haben", sagt der 50-jährige evangelische Militärseelsorger. "Wenn sie etwas Traumatisches erlebt haben, dann möchte ich einfach das Gespräch anbieten". Das sind nicht nur Kampfhandlungen, sondern etwa auch Verkehrsunfälle, zu denen sie gerufen werden.
Sorgen erreichen neue Dimension
Doch nicht nur aktuelle Erlebnisse können belastend sein. "Sorgen und Nöte, die sie zu Hause haben, können sie hier nicht einfach abstellen", sagt Waedt. Dazu gehörten etwa Fragen zu Partnerschaft, Freundschaft und Familie. Rund 4.000 Kilometer von der Heimat entfernt können diese eine neue Dimension gewinnen.
Was Johannes Waedt bei seiner Arbeit hilft, machen die beiden Schulterklappen deutlich. Unter einem schlichten Kreuz steht "Domini sumus" – "Wir gehören dem Herrn". Der Geistliche trägt zwar eine grüne Uniform, aber anders als die Soldaten keine Waffe und ist auch nicht Teil der Bundeswehr-Hierarchie. Damit ist er freier, bei Problemen zu vermitteln.
Von Schwierigkeiten erfährt er häufig bei Gesprächen während des gemeinsamen Essens oder wenn er die Soldaten an den jeweiligen Einsatzorten besucht. "Gerade erst hat mir einen Soldatin erzählt, dass sie bisher keinen freien Tag, sondern immer nur ein paar freie Stunden hatte. Man muss schauen, dass die persönliche Gesundheit nicht auf der Strecke bleibt." Schnelle und unbürokratische Hilfe ist aus seiner Sicht auch notwendig, wenn ein Soldat einen Trauerfall in der Familie hat.
Wenn Waedt über seinen Alltag in Gao spricht, wirkt er routiniert und erfahren. Dabei ist er selbst zum ersten Mal als Militärpfarrer im Auslandseinsatz. Eigentlich ist er im niederbayerischen Bogen stationiert. Bis er vor drei Jahren zur Militärseelsorge kam, war er
"Lebenskundlicher Unterricht" für Soldaten
16 Jahre lang Pfarrer in zwei Kirchengemeinden in Oberfranken. Irgendwann habe er eine neue Herausforderung gesucht. Als Militärgeistlicher ist er in Deutschland etwa für den "Lebenskundlichen Unterricht" für Soldaten sowie die Organisation von Rüstzeiten zuständig. Die Konfessionszugehörigkeit spielt für Waedt dabei keine Rolle. Auch in Gao fragt er niemanden danach. Wenn er Ende April geht, wird ein katholischer Priester seine Nachfolge antreten.
Eins ist für Johannes Waedt allerdings schon heute klar: Nach zwei Monaten im Norden Malis wird er nicht derselbe sein, der nach Deutschland zurückkehrt. "Der Einsatz verändert mich – wie jeden Soldaten auch."