"Ein Wildschwein trachtet danach, Gottes Weinberg zu zerwühlen, und ein wildes Tier frisst ihn ab", erklärte Papst Leo X. 1520. Der Humanist Ulrich Zasius sprach fünf Jahre später vom "Gemeinsten aller Zweifüßler". Das klingt fast noch charmant im Vergleich zum Urteil des Theologen Abraham Nagel von 1589: "Und sollte Luther all seinen Dreck wiederum in sich hineinfressen und all den Kot wieder auflecken: Alle seine sieben Köpfe und Mäuler würden nicht genug sein, sein stinkender Kotsack würde es auch nicht fassen."
Der lange Weg der Annäherung
Rund vier Jahrhunderte sollte es dauern, bis Katholiken dem Reformator langsam etwas Positives abgewinnen konnten. Die Sonderausstellung "Ketzer, Spalter, Glaubenslehrer - Luther aus katholischer Sicht", die ab Gründonnerstag (13. April) im Eisenacher Lutherhaus zu sehen ist, will diese Entwicklungen nachzeichnen: Den Weg vom anfänglichen Konflikt über die Eskalation bis zur immer stärkeren Annäherung in den vergangenen Jahrzehnten.
Die Ausstellung ist als Parcours durch rund 200 unterschiedlich gestapelte Pappkartons gestaltet, auf die Informationstexte, Zitate, Grafiken und Schaubilder gedruckt sind. Gegliedert ist das Ganze in fünf Kapitel: Den Auftakt bilden die "Gemeinsamen Wurzeln". Der engagierte Augustiner-Mönch Martin Luther will keineswegs eine neue Kirche gründen, sondern lediglich aus seiner Sicht bestehende Missstände beseitigen.
Doch durch die Verbreitung seiner 95 Thesen und den dadurch ausgelösten Ketzerprozess gegen ihn spitzt sich der Konflikt zwischen Rom und Luther immer weiter zu. "Auf katholischer Seite entsteht ein polemisch verzerrtes Lutherbild, das über Jahrhunderte hinweg relativ konstant bleibt", erläutert der Ausstellungs-Kurator und Direktor des Lutherhauses, Jochen Birkenmeier.
"Kulturkampf" im Fokus
Ein eigener Abschnitt widmet sich dem "Kulturkampf" (1871-1878), in dem das katholische Lutherbild vor dem Hintergrund des preußisch-protestantischen Bündnisses von "Thron und Altar" eine weitere Abwertung erfuhr. "Es ist zu beobachten, dass Luther im 19. Jahrhundert von katholischer Seite zunehmend pathologisiert und als psychisch degeneriert dargestellt wird", berichtet Birkenmeier.
So stellt der katholische Theologe und Historiker Johannes Janssen (1829-1891) in seiner "Geschichte des deutschen Volkes" die Reformation als "Deformation" einer geistig-kirchlichen Erneuerungsbewegung dar, die ausschließlich negative Folgen gehabt habe. "Dabei lässt sich eine Parallelität feststellen: Je mehr die Protestanten Luther zum Heiligen stilisierten, umso harscher hielten die Katholiken dagegen", bemerkt der Kurator.
Nach gemeinsamen Wegen suchen
Erst in den 1930er Jahren kommt es langsam zu einer wechselseitigen Annäherung, wie Birkenmeier erklärt: "Durch den Kommunismus sowie den Faschismus in Deutschland und Italien geraten die Kirchen unter Druck und rücken wieder näher zusammen, um den atheistischen Ideologien gemeinsam etwas entgegenzusetzen." Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich wächst die Einsicht weiter, nach gemeinsamen Wegen zu suchen und in Sachen Polemik abzurüsten. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) schließlich legt das Fundament für eine konstruktive, von wechselseitiger Wertschätzung geprägte Ökumene in den nachfolgenden Jahrzehnten.
"Luther als Reform-Katholik"
Eine Zitatenwand in der Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie sich im Zuge dessen auch der katholische Blick auf Luther selbst positiv wandelte. So bezeichnete ihn Papst Johannes Paul II. 1980 als "Lehrer im Glauben". Der frühere vatikanische "Ökumene-Minister", Kardinal Walter Kasper, sagte 2016: "Man kann den jungen Luther sozusagen als einen Reform-Katholiken bezeichnen." Und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, empfahl Luther als "bombastische Gestalt" und "beeindruckenden Gottsucher".
Karin Wollschläger