Wenn Rentner das Weihrauchfass schwingen

Mini-Mangel macht's nötig

Der letzte Einsatz am Altar liegt manchmal Jahrzehnte zurück: Nicht nur Kinder und Jugendliche sind in vielen katholischen Gemeinden heute Ministranten. Denn sonst könnte sich der Priester mancherorts etwas alleingelassen vorkommen.

Autor/in:
Eva Krafczyk
Ministranten Ü40 / © Boris Roessler (dpa)
Ministranten Ü40 / © Boris Roessler ( dpa )

Christmetten und Osternachtfeiern - das war in früheren Zeiten in vielen katholischen Gemeinden das ganz große Kürprogramm. Viel Weihrauch, Kerzen und ein Großaufgebot an Ministranten, die hinter dem Gemeindepriester in einer feierlichen Prozession in die Kirche zogen. Der demografische Wandel und geänderte Freizeitprioritäten sind allerdings auch an den Kirchen nicht spurlos vorbei gegangen.

"Im vergangenen Jahr hatten wir in der Osternacht zwei Ministranten", sagt Ralf Albensoeder, Pastoralreferent der Gemeinde St. Markus in Frankfurt-Nied. Früher seien es dagegen auch schon mal 20 gewesen.

Sogar Ü80-Jährige dabei

In diesem Jahr soll es an den Ostertagen nicht gähnend leer sein im Altarraum. Bereits vor mehreren Monaten startete Albensoeder einen Aufruf, um auch Erwachsene jenseits des klassischen Ministranten-Alters für den Altardienst zu rekrutieren. Mittlerweile haben acht Interessenten die Ausbildung absolviert.

Christel Trinler ist mit ihren 81 Jahren die Älteste in der Gruppe, Klaus Ottenhus gehört mit 55 zu den "Nesthäkchen". In ihren langen wollweißen Gewändern versammeln sie sich unter dem Altarkreuz, das in der Karwoche traditionell mit einem Tuch verhüllt ist.

"Ich fand es schade, dass wir früher nie mitmachen durften am Altar, weil wir "nur" die Mädchen waren", sagt Trinler. Nur zum Putzen und Schmücken der Kirche seien die Frauen damals im Altarraum gut gewesen. Als der Aufruf nach Ü-40-Ministranten gestartet wurde, musste Trinler nicht lange überlegen: "Ich bin sowieso da. Ob ich nun in der ersten Bank bin oder am Altar, das ist mir egal."

Akuter Mangel an den Feiertagen

In St. Markus sei die Lage eigentlich noch ganz gut, erzählt Albensoeder. Es gebe zahlreiche Kinder und Jugendliche, die als Ministranten aktiv seien. Aber da viele aus polnischen oder kroatischen Familien stammten, verbrächten sie gerade die Feiertage bei ihren Verwandten - und in der Kirche herrsche dann akuter Messdienermangel.

Die Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche von der Erstkommunion bis zum Erwachsenenalter in der Gemeinde engagiert waren, seien ganz klar vorbei. Gerade an Wochenenden gebe es "Konkurrenz" durch Sportveranstaltungen oder andere Freizeitaktivitäten.

Die Ü-30 oder Ü-40-Generation soll Abhilfe schaffen - nicht nur in St. Markus. Auch die Frankfurter Gemeinde Sankt Josef betont auf ihrer Webseite, es gebe keine Altersbegrenzung nach oben für Messdiener - im Gegenteil. "Wir hatten einen Messdiener, der war 87 Jahre alt", sagt Peter Soltes, einer der Gemeindepriester. Generationen von Ministranten seien mit ihm aufgewachsen.

Ministrant aus Leidenschaft

Edgar Lühn aus der Gemeinde in Frankfurt-Nied ist mit seinen 75 Jahren ebenfalls schon lange im Rentenalter, aber über eine Reaktivierung als Messdiener musste er nicht lange nachdenken. "Ich war mit Begeisterung Ministrant", versichert er. "Das war so eine wunderbare Gemeinschaft."

Alexander Bothe, Referent für Ministranten-Pastoral bei der Arbeitsstelle für Jugendarbeit der Deutschen Bischofskonferenz, spricht von einem recht neuen Phänomen. Von einem Trend zu sprechen, wäre aber übertrieben - bundesweit sind nach einer Umfrage aus dem Jahr 2015 etwa 98 Prozent der Ministranten Kinder und Jugendliche.

"In einigen Bistümern gibt es aber einen höheren Anteil, etwa in Limburg oder Osnabrück", berichtet Bothe. In Limburg etwa schätzt ein Bistumssprecher den Anteil auf etwa vier Prozent.

Am häufigsten würden rüstige Senioren aushelfen, berichtet Timo Hilberink, Ministranten-Referent im Bistum Osnabrück. "Das sind oft auch die, die früher schon mal Ministranten waren und sich gut auskennen mit der Gottesdienstliturgie."

Ein Generationskonflikt am Altarraum entstehe aber nicht, versichert Hilberink. "Die Erwachsenen werden eher an den Wochentagen eingesetzt, etwa bei Beerdigungen am Vormittag oder früherem Nachmittag." Auch habe er festgestellt: "Den Neujahrsgottesdienst um zehn Uhr morgens überlassen die Jugendlichen sehr gerne den Erwachsenen."

 


Ü40-Ministranten mit neuem Weihrauchfass / © Boris Roessler (dpa)
Ü40-Ministranten mit neuem Weihrauchfass / © Boris Roessler ( dpa )

81-jährige Ministrantin / © Boris Roessler (dpa)
81-jährige Ministrantin / © Boris Roessler ( dpa )
Quelle:
dpa