Wie Sportbischof Peters die Entscheidung der UEFA nach dem Anschlag bewertet

"In Zukunft menschlicher reagieren"

Das Viertelfinale gegen Monaco wurde nicht einmal 24 Stunden nach dem Angriff auf den BVB-Mannschaftsbus nachgeholt. Die Spieler waren nicht begeistert. Im domradio.de-Interview sagt der katholische Sportbischof Peters, wie er diese Entscheidung bewertet.

Borussia Dortmund nach dem Anschlag / © Friso Gentsch (dpa)
Borussia Dortmund nach dem Anschlag / © Friso Gentsch ( dpa )

domradio.de: Können Sie die kritischen Stimmen der BVB-Spieler verstehen?

Weihbischof Jörg Michael Peters (katholischer Sportbischof): Ich habe die Reaktionen der Spieler nach dem Spiel im Fernsehen gesehen und kann sagen: Ich habe vollstes Verständnis. Zum Beispiel wenn der Torhüter Roman Bürki sagt: "Man hat uns keinen Gefallen getan. Ich hatte nicht eine Stunde Schlaf in der vergangenen Nacht." Dann kann ich die Kritik allzu gut verstehen.

domradio.de: Und wenn Leute sagen, aber das sind doch hoch bezahlte, auf Disziplin getrimmte Profis, die müssten das doch aushalten. Was sagen Sie dazu?

Peters: Ich glaube, dass es Grenzen gibt. Fußball ist ein wunderbarer Sport, der nicht nur in unserem Land, sondern auch weltweit viele Millionen Menschen begeistert. Aber es gibt auch noch etwas Größeres, wie auch gesagt wurde. Ich glaube, wir dürfen sagen: Gut bezahlte Fußballer führen ein privilegiertes Leben. Aber, wie es BVB-Spieler Nuri Sahin ausdrückte: "Wir sind nur Menschen". Die Spieler sind an Grenzen geführt worden. Wer würde es nach einem solchen Widerfahrnis schaffen, am nächsten Tag der Arbeit nachzugehen, als wenn nichts geschehen wäre?  

domradio.de: Die UEFA hat so argumentiert: Wir dürfen gegenüber solchen Anschlägen nicht einknicken. Außerdem lässt der eng getaktete Spielplan der Vereine kein anderes Zeitfenster zu. Was sagen Sie zu diesen Argumenten?

Peters: Was wäre passiert, wenn es nicht bei der Verletzung eines Spielers geblieben wäre? Dann hätte es zu einer Lösung kommen müssen. Ich glaube, man ging sehr schnell über dieses Problem hinweg, ohne die Betroffenen mitzunehmen. Der BVB musste das Spiel sogar noch am frühen Abend wegen der Kollision mit dem Champions League-Spiel FC Bayern München gegen Real Madrid durchführen. Ich glaube, dass war eine psychische Überforderung, wenn Sie so nah am Ort des Geschehens waren und erst kurz nach dem Geschehen erfahren mussten, es war ein gezielter Anschlag auf sie. Deshalb würde ich mir wünschen, dass bei aller Taktung und allen Zwängen der Spielpläne, die so eine Champions League mit sich bringt, es in Zukunft auch die menschliche Reaktion gibt, die erlaubt, dass die Betroffenen Atem holen können.

domradio.de: Dortmunds Trainer Thomas Tuchel hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung der UEFA. Aber er will seiner Mannschaft jetzt erlauben, sich Zeit zu nehmen, psychologische Hilfe anzunehmen. Gibt es auch ein Angebot der Sportseelsorge an die Spieler?

Peters: Ganz sicher gibt es dies vor Ort. Ich biete von meiner Seite aus an, wenn es einen Brückenschlag braucht, könnte da ganz sicher etwas geschehen. In jedem Bistum gibt es einen Sportseelsorger über den katholischen Sportverband, der DJK. Und ich bin überzeugt, dass da ganz zeitnah auch ein Gespräch oder eine Kontaktaufnahme möglich wäre. Thomas Tuchel hat mich beeindruckt mit seiner Reaktion, dass es gefühlt nicht eine Minute nach dem Anschlag gedauert habe, bis er und die Mannschaft für dieses Spiel am Folgetag verpflichtet wurden. Die Spannung und die Verantwortung, die er da zu tragen hatte, das muss man sich auch von der menschlichen Seite her vorstellen.  

domradio.de: Und wie sind bei Ihnen die Reaktionen der Fans angekommen?

Peters: Sehr beeindruckt hat mich die Gastfreundschaft, die über die Fernsehbilder in unsere Wohnzimmer getragen wurden. Dass die Dortmunder Fans spontan die Monaco-Fans angesprochen und gefragt haben: Mensch, Ihr steht ja jetzt auf der Straße, habt Ihr ein Hotel, eine Übernachtungsmöglichkeit? Ihr könnt auch bei mir übernachten. Auch dass die Monaco-Fans spontan für den BVB skandiert haben, das hat mich auch beeindruckt. Das zeigt, Menschen, die Freude am Spiel haben, wollen nicht, dass ein Bombenanschlag diese Freude eindämmt. Von daher gehe ich teilweise mit dem Urteil der UEFA, aber es muss auch die Möglichkeit geben, den Menschen gerecht zu werden. Die Fans haben das verstanden und rübergebracht.  

Das Interview führte Hilde Regeniter


Quelle:
DR