Zur Halbzeit des Reformationsgedenkjahrs können die Protestanten zufrieden sein: Martin Luther und die Reformation sind in aller Munde. Und dies, obwohl die ganz großen Veranstaltungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihrer Landeskirchen fast alle erst bevorstehen. Auf dem Buchmarkt ist das 500-Jahr-Jubiläum weit über die christlichen Verlage hinaus ein großes Thema, Film, Fernsehen und Printmedien haben es in vielen Facetten aufgegriffen, und die ersten großen und kleineren Ausstellungen sind bereits eröffnet.
Die kirchlichen Veranstaltungen waren von der Eröffnung an stark ökumenisch geprägt - so stark, dass manche schon um das protestantische Profil fürchteten. Papst Franziskus reiste am 31. Oktober 2016 eigens nach Lund in Schweden, um gemeinsam mit dem Lutherischen Weltbund in das Gedenkjahr zu starten.
Auch katholische Kirche dabei
Wobei der Gegensatz zwischen "Gedenken" (im Blick auf die Kirchenspaltung) und "Feiern" (des Beginns der Reformation), der zunächst die Vorbereitungen zu überschatten drohte, keine große Rolle mehr spielt. So wird auch die katholische Kirche während der "Weltausstellung Reformation" vom 20. Mai bis 10. September in Wittenberg mit einem eigenen Programm präsent sein.
Den Weg dazu bereitet haben der zentrale Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März in Hildesheim und entsprechende Feiern in fast allen deutschen Bistümern und Landeskirchen. Der mehrere Jahre dauernde Prozess der "Heilung der Erinnerung" hat auf allen Seiten - übrigens auch im Blick auf die nicht unmittelbar beteiligten Freikirchen - zu mehr Sensibilität gegenüber den ökumenischen Partnern beigetragen.
"Grummelige Meckerstimmung"
Innerevangelisch sorgte unterdessen ein zwar begrenzter, aber umso lautstärker geführter Schlagabtausch für Aufsehen: Der Vizepräsident des Kirchenamts der EKD, Thies Gundlach, warf einigen namentlich genannten evangelischen Theologen vor, eine "grummelige Meckerstimmung" zu verbreiten, statt weiterführende Ideen und eine "konstruktive Interpretation" des Jubiläums vorzulegen. Die Göttinger Theologen Thomas Kaufmann und Martin Laube schlugen ebenso polemisch zurück und warfen Gundlach vor, das "Reformationsjubiläum konsequent theologisch entkernt" zu haben.
Nach diesem Intermezzo stehen nun die Hauptereignisse des Jubiläumsjahres bevor. Dazu zählen zwei weitere große "nationale Sonderausstellungen" - die erste im Deutschen Historischen Museum in Berlin wurde bereits eröffnet - auf der Wartburg und in Wittenberg und zahlreiche regionale Ausstellungen. Im Zeichen des Reformationsjahrs steht auch der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 24. bis 28. Mai in Berlin und Wittenberg, der allerdings weder in seinem Leitwort ("Du siehst mich") noch in seinem Programm besonders darauf Bezug nimmt. Ein Podium mit Gundlach und Kontrahenten etwa sucht man dort vergeblich. Stattdessen soll Barack Obama für Weltläufigkeit sorgen und in die säkulare Öffentlichkeit ausstrahlen.
Rund 200.000 Menschen in Wittenberg erwartet
Der auf den Elbwiesen vor den Toren der Lutherstadt geplante Abschlussgottesdienst des Kirchentags soll mit 200.000 Teilnehmern zugleich die größte Einzelveranstaltung des Jahres werden. Insgesamt rechnen die Veranstalter im "Reformationssommer" mit einer halben Million Gäste allein in Wittenberg, das im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, vor allem mit der bereits erwähnten "Weltausstellung Reformation" unter dem Motto "Tore der Freiheit". Zu den Attraktionen in der 50.000 Einwohner zählenden Lutherstadt gehört längst schon das Panorama des Künstlers Yadegar Asisi über die Zeit der Reformation.
Für die ausgebuchten "Konfi- und Jugendcamps" haben sich rund 25.000 junge Menschen aus aller Welt angemeldet. Das Jubiläumsjahr endet am 31. Oktober 2017, der einmalig bundesweit ein Feiertag ist, mit vielen regionalen Veranstaltungen und mit einem zentralen Festakt in Wittenberg.