Selbst die scheinbar omnipotente Erzdiözese Köln geriet durch das Bauvorhaben Anfang der 1890er Jahre an den Rand der Zahlungsfähigkeit. Der Kölner Kardinal Philippus Krementz (1885-1899) wünschte, dass all seine Priesteramtskandidaten an einem Ort unterrichtet und ausgebildet würden, statt allüberall und allzu frei im Deutschen Reich und in der Habsburgermonarchie herumzumäandern.
Feste Burg am Rhein
Der Ort der Konzentration sollte Bonn sein, die zweitgrößte Universität Preußens. Für die Unterbringung der klerikalen Zukunft Kölns brauchte es eine feste Burg am Rhein - das "Collegium Albertinum".
Die Zeiten waren ideologisch hart. Auch nach der Beilegung des Kulturkampfs in Preußen blieb die katholische Kirche unversöhnt.
"Ultramontanismus" war das Schlagwort der Zeit: Treue zum Papst, dem "Fels" jenseits der Alpen, auf dem Jesus seine Kirche errichtet hatte. "Modernismus", also ein Nachgeben gegenüber den geistigen Strömungen der Zeit, erschien undenkbar.
Um in solch unsicherem Umfeld einen sicheren Hort für den Priesternachwuchs zu schaffen, brauchte es eine trutzige Architektur.
Der siegreiche Bauentwurf war eine Adaption der Marienburg, jener mittelalterlichen Feste des Deutschen Ordens bei Danzig an der Ostsee. Hier sollte es gut Priester werden - schließlich kamen die Anfechtungen nicht nur von den protestantischen Behörden, sondern auch von sehr beargwöhnten katholischen Professoren mit neuen Ideen.
Die ersten Jahrzehnte des Albertinums waren von einem heftigen Ringen zwischen Zucht, Ordnung und akademischer Freiheit geprägt. Von einer "geknickten Jugend von Hunderten deutscher Jünglinge", ja der "Blüte der Nation", schrieb die liberale Presse. Pathos war das Gebot der Zeit.
Anekdoten um Kardinal Schulte
Dass allzeit auch nur mit Wasser gekocht wurde, belegt die Geschichte des sauerländischen Kölner Kardinals Karl Josef Schulte (1920-1941).
Er hatte einst gegen das bunte Treiben an Karneval plädiert und dafür Einkehrtage empfohlen. In seiner Frühzeit war er aber selbst kein Kind von Traurigkeit. Wegen Wirtshausbesuchs und Bierkonsums wurde er als erster Albertiner in den 1890er Jahren des Hauses verwiesen. Als Schulte 30 Jahre später als neuer Erzbischof nach Köln zurückkehrte, soll der einst verantwortliche Direktor des Hauses Franz Düsterwald mit Matthäus 21 genörgelt haben: "Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden."
Was in historischer Dimension deprimieren kann: Schon bei seiner Errichtung war der Riesenbau des Albertinums deutlich unterdimensioniert. Das Erzbistum konnte seine deutlich über 250 Priesterkandidaten dort gar nicht alle unterbringen. In Spitzenjahrgängen gab es bis in die Weimarer Republik hinein mehr als 130 Priesterweihen.
Statistische Implosion
Nach dem Zweiten Weltkrieg brach jedoch das Milieu ein. In statistischen Dimensionen muss man von einer Implosion sprechen. In seinen frühen Bonner Professorenjahren fand Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hier vorübergehend eine geistige Heimat, bevor er eine Wohnung in Bad Godesberg bezog.
Unterdessen wurde der im Krieg durch Bomben dezimierte Bau zur Heimat von renommierten Einrichtungen wie der Kommission für Zeitgeschichte, der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft oder des philosophisch-theologischen Albertus-Magnus-Instituts, das die Schriften von Albert dem Großen (um 1200-1280) herausgibt.
Während die Kandidaten des Bistums Aachen schon vor vielen Jahren das Collegium Leoninum am Bonner Alten Friedhof aufgaben, hält Köln noch seine Trutzburg am Rheinufer. Knapp zwei Dutzend Kandidaten aller Jahrgänge werden dort derzeit ausgebildet. Auch wenn die Zahl der Priesterweihen zuletzt nur noch bei zwischen fünf und neun pro Jahr lag: Wenn 2018 die 200-Jahr-Feiern der Preußischen Friedrich-Wilhelms-Universität anstehen, wird die katholische Kirche einiges zum Jubiläum beizutragen haben. Schließlich machten ihre Theologen dort lange Zeit bis zu einem Drittel aller Studenten aus.