Kirchentag: Jubel bei Obama, Buhrufe bei der AfD

Zwischen Politik und Religion

Der Auftritt Barack Obamas war bislang der Höhepunkt im Programm des evangelischen Kirchentags in Berlin. Doch auch andere Veranstaltungen lockten viele Besucher an. 

Klare Ansage auf dem Kirchentag / © Ralf Hirschberger (dpa)
Klare Ansage auf dem Kirchentag / © Ralf Hirschberger ( dpa )

Kontroverse Debatten und ein Ritt durch die Weltpolitik haben den Auftakt des evangelischen Kirchentags in Berlin geprägt. Zum erwarteten Höhepunkt avancierte am Donnerstag der Auftritt des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama am Brandenburger Tor. Gemeinsam mit einer seiner "liebsten Partnerinnen" während seiner Amtszeit, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), diskutierte Obama über den Kampf gegen Armut und Hunger in der Welt, über die Flüchtlingspolitik und über den Erhalt demokratischer Werte.

Der Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama dürfte der Höhepunkt im Programm des evangelischen Kirchentags in Berlin gewesen sein. Vor 70.000 Zuschauern betonte er am Donnerstag in einer Diskussion mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Grenzen nationaler Flüchtlingspolitik und das Dilemma zwischen christlicher Barmherzigkeit und politischer Verantwortung. "Natürlich haben Flüchtlinge allen Anspruch auf Schutz, aber wir haben auch begrenzte Ressourcen", mahnte er in Berlin.

Merkel sprach sich für schnellere Asylverfahren aus und warnte vor falschen Hoffnungen für Flüchtlinge, die nicht in Deutschland bleiben dürften. Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis müssten schneller in ihre Heimatländer zurückkehren. "Ich weiß, dass ich mich damit nicht beliebt mache, aber ich weiß auch, dass wir wirklich aufpassen müssen, dass wir denen helfen, die auch wirklich unsere Hilfe brauchen", sagte sie in der vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au geleiteten Diskussion.

Zeichen der Dialogbereitschaft

Doch auch bei einem weiteren Kirchentags-Vortrag wurde es spannend: Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge hat der AfD vorgeworfen, die Würde der Menschen nicht zu achten. "Es steht kein christliches Menschenbild im Parteiprogramm der AfD", sagte Dröge am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag. Gerade Christen müssten "sehr empfindsam sein, wenn die Würde von Menschen nicht geachtet wird". In der Bibel gebe es eine lange Tradition, die Rechte von Fremden zu respektieren.

Anette Schultner, Sprecherin der "Christen in der AfD", entgegnete, jeder Mensch habe nach dem christlichen Menschenbild zwar die gleiche Würde. Das bedeute aber nicht, dass jeder Mensch dieselben Rechte habe, sagte Schultner, die von einer "völlig unkontrollierten Massenzuwanderung" sprach. Der Auftritt der AfD-Politikerin war umstritten, die Diskussion in der vollbesetzten Sophienkirche in Berlin-Mitte wurde immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen. Anders als der Katholikentag im vergangenen Jahr hatte der Kirchentag beschlossen, im Zeichen der Dialogbereitschaft grundsätzlich mit einzelnen Vertretern der AfD zu sprechen, sofern sie sich nicht rassistisch und menschenfeindlich geäußert hatten.

Islam soll Barmherzigkeit betonen

Der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide dringt darauf, dass der Islam seine Werte der Liebe und Barmherzigkeit stärker betont. Der Islam sei in seinem ethischen Kern stark ausgehöhlt worden durch Gesetze, was erlaubt und verboten sei, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der Wissenschaftler hielt auf dem evangelischen Kirchentag ein Impulsreferat zu der Podiumsdiskussion "Gewaltfrei gegen Krieg und Terror - Wie Religionen Frieden stiften."

Mit Blick auf die Konflikte im Nahen Osten erklärte der Islamwissenschaftler, Religion sei nur eine Legitimation für Kriege und Gewalt, die eigentlichen Gründe seien wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Er forderte, dass der Islam sich stärker mit anderen Religionen wie dem Christentum und dem Judentum austauschen und von den Erfahrungen der anderen profitieren müsse. Frieden liege aber auch in der Verantwortung der Weltgemeinschaft, fügte Khorchide hinzu.

Über Frieden sprechen

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Edelgard Bulmahn (SPD), stimmte Khorchide zu: "Wir müssen mehr über Frieden sprechen." Die öffentliche Debatte dürfe nicht darauf beschränkt bleiben, ob mehr Verteidigung und Rüstung zu größerer Sicherheit führe. Konflikte würden nicht durch militärische Einsätze, sondern durch Dialog und Diplomatie gelöst. Bulmahn warf den Medien vor, dass sie zu wenig über Friedensinitiativen etwa in Afrika berichteten und sich stattdessen auf militärische Einsätze fokussierten.

Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, sprach von einer öffentlichen Verantwortung aller Gläubigen, das Bild ihrer Religion mitzugestalten. "Wir müssen über unser Gottesbild nachdenken." Er kritisierte Waffenexporte in Länder wie Saudi-Arabien: "Unsere Kinder werden in 15 Jahren dort Krieg erleben." Der Bischof mahnte an, jetzt einzuschreiten und Brücken zu schlagen.

Stimmungsvolle Open-Air-Gottesdienste

Insgesamt stehen beim Kirchentag rund 2500 Veranstaltungen auf dem Programm, darunter Gottesdienste, Bibelarbeiten, Diskussionsrunden mit Politikern, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen. Zu dem fünftägigen Glaubensfest erwarten die Veranstalter 140 000 Dauerteilnehmer sowie zusätzlich Zehntausende Tagesbesucher.

Eröffnet wurde das Treffen zum Reformationsjubiläum am Mittwochabend gleich mit drei stimmungsvollen Open-Air-Gottesdiensten: Vor dem Reichstag, vor dem Brandenburger Tor und auf dem Gendarmenmarkt versammelten sich nach Angaben der Veranstalter 70 000 Menschen. Zum Abschluss fahren am Sonntag viele Gläubige in das etwa 100 Kilometer entfernte Wittenberg, um auf den Elbwiesen einen großen Gottesdienst zu feiern.

Intensive Taschenkontrollen

Angesichts der Terrorgefahr wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft: Bei großen Veranstaltungen des Kirchentags gibt es erstmals in größerem Stil Taschenkontrollen. Zudem fährt die Polizei mobile Barrieren auf, damit Fahrzeuge nicht in die Menge rasen können.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte, die Sicherheitslage habe sich nach dem Anschlag in Manchester nicht verändert. "Wir haben das sehr sorgfältig geplant, mit den Behörden ein genaues Sicherheitskonzept ausgearbeitet, das auch an keinerlei finanziellen Grenzen scheitern kann", sagte Bedford-Strohm dem Bayerischen Rundfunk. Er sagte aber auch: "Absolute Sicherheit gibt’s nirgendwo."

Abschluss in Wittenberg

Am Sonntag geht der Kirchentag mit einem großen Gottesdienst in Wittenberg zu Ende. Der Überlieferung nach veröffentlichte Martin Luther (1483-1546) in der Stadt am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel. Dies war der Ausgangspunkt der Reformation, die schließlich in eine Spaltung der Kirche mündete.


Gehört dazu: Der orange Kirchentagsschal / © Markus Nowak (KNA)
Gehört dazu: Der orange Kirchentagsschal / © Markus Nowak ( KNA )

Die Präsidentin des Kirchentages, Christina Aus der Au, und Bischof Markus Dröge / © Soeren Stache (dpa)
Die Präsidentin des Kirchentages, Christina Aus der Au, und Bischof Markus Dröge / © Soeren Stache ( dpa )

Mouhanad Khorchide / © Andrea Wolf
Mouhanad Khorchide / © Andrea Wolf
Quelle:
epd , dpa