Renovabis erinnert in Pfingstaktion an Migranten aus Osteuropa

Bleiben oder gehen?

An Pfingsten findet in den Gottesdiensten die Kollekte für das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis statt. Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz erzählt im domradio.de-Interview, dass viele Migranten aus Polen in sein an der Grenze gelegenes Bistum kommen.

Kloster in Neuzelle im Bistum Görlitz / © Patrick Pleul (dpa)
Kloster in Neuzelle im Bistum Görlitz / © Patrick Pleul ( dpa )

Mit der Kollekte in den Gottesdiensten wird die Pfingstaktion von Renovabis beendet, die sich in diesem Jahr unter dem Leitwort "Bleiben oder gehen?" mit stillen Migranten aus Osteuropa befasst. Gastgeber des Aktionsfinales ist der Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt.

domradio.de: Herr Bischof, Ihr Bistum liegt direkt an der polnischen Grenze zu Polen. Was erleben Sie mit Menschen, die in Deutschland Arbeit suchen?

Bischof Wolfgang Ipolt: Wie erleben zurzeit oft, dass Menschen aus Polen zu uns herüber kommen, das heißt sie ziehen richtig um, verändern ihren Wohnsitz und sie finden jetzt hier Arbeit, das ist momentan kein Problem. So mischen sich unsere Gemeinden, vor allem die katholischen, die direkt an der polnischen Grenze liegen, sehr deutlich. Es gibt demnach Pfarreien mit bis zu 50 Prozent polnischer Katholiken. Das verändert unsere seelsorgliche Situation schon sehr bedeutsam und es verlangt eine neue Einstellung auf die Zugewanderten, auf die katholischen Christen aus Polen, die aus einer ganz anderen Tradition kommen und sich jetzt hier bei uns mit einer Diaspora-Situation anfreunden müssen. Denn bei uns in Ostdeutschland sind die Katholiken bekanntlich in der Minderheit.

domradio.de: Unweit von Görlitz liegt auch die Grenze zu Tschechien. Siedeln auch Tschechen in die Bundesrepublik oder bleiben sie eher in ihrem Heimatland?

Bischof Ipolt: Das sind Einzelfälle. Von Tschechien aus gibt es solche Migrationsbewegungen auf unserem Bistumsgebiet eher nicht.

domradio.de: Was können Sie denn uns über stille Migranten in Ihrem Bistum berichten, die - da sie möglicherweise aus Nicht-EU-Ländern kommen - wieder zurückgehen müssen?

Bischof Ipolt: Mit dem ein- oder anderen hatte ich auch schon Gespräche. Es ist auf der einen Seite verständlich, wie diese Menschen sehen, dass es uns in Westeuropa besser geht als bei ihnen zuhause; auf der anderen Seite ist es für die Betroffenen auch menschlich sehr schwierig, denn sie haben ihre Familien in der Heimat zurückgelassen; manchmal ist das sogar bewusst geplant oder gewollt. Generell sind es menschlich sehr belastende Situationen. Ich kann nur hoffen, dass wir die Hilfe, die nötig ist, auch anbieten können - auch vor dem Hintergrund unserer christlichen Vorstellungen. Mit diesen betroffenen Menschen versuche ich immer zu reden und ihnen zu erklären, dass sie immer ihre Familien im Blick behalten müssen. Denn es kann ja sein, dass sie wieder zurückgehen müssen. In manchen Fällen trifft dies ja dann auch zu.

domradio.de: Wie arbeiten Sie denn bei diesem Problem mit Renovabis zusammen?

Bischof Ipolt: Renovabis hat sich auf die Fahnen geschrieben, in den osteuropäischen Ländern zu helfen. Da ich ja selber in der Unterkommission von Renovabis tätig bin, habe ich auch viel mit den Projekten in Osteuropa zu tun. Wir müssen diese miteinander abstimmen, damit wir wissen, wo wir helfen. Ich weiß, dass Renovabis auch in Polen tätig ist, aber vor allem in anderen Ländern wie in der Ukraine momentan ganz verstärkt. Ich bin im Osten Deutschlands groß geworden. Von daher liegt mir das Hilfswerk besonders am Herzen und ich freue mich besonders darüber, dass das Finale der Pfingstaktion bei uns stattfindet.

domradio.de: Viele Aktionen begleiten das Finale der Renovabis-Pfingstaktion in Görlitz. Spricht Sie davon etwas besonders an?

Bischof Ipolt: Ich freue mich, dass Renovabis vor dem Pfingstfest auch in einigen Schulen zu Gast sein wird und den Schülern hier ihre Arbeit vorstellt. Das ist für unsere Kinder – bedenken Sie bitte, es gibt hier nur fünf Prozent Katholiken! – zunächst etwas Fremdes. Ich hoffe deshalb auf gute Gespräche. Dann wird es am Samstag vor Pfingsten eine Jugendaktion geben. Der Höhepunkt selbst ist natürlich der Pfingstgottesdienst, bei dem ich auch das Sakrament der Firmung spenden werde. Schon deshalb bekommt das Finale der Pfingstaktion einen neuen Akzent.

domradio.de: Das Leitwort "Bleiben oder gehen?" hat für Renovabis eine besondere Bedeutung, weil für das Hilfswerk die Hilfe zur Selbsthilfe im Fokus steht. Migranten sollten sich demnach auch für die Möglichkeit öffnen, eine Zukunft in ihrer Heimat aufzubauen. Glauben Sie, Osteuropa wird in naher Zukunft für die Bevölkerung der Länder attraktiver?

Bischof Ipolt: Ich hoffe das. Auf der einen Seite wollen wir ein gastfreundliches Bistum sein und bleiben, das Mitchristen aus Osteuropa bei uns willkommen heißt. Auf der anderen Seite sind unsere östlichen Nachbarn ein bedeutender Teil Europas. Ich kann nur jeden ermutigen, mal in diese Länder zu reisen. Ich denke, diesbezüglich muss ein neuer Austausch innerhalb Europas gefördert werden.

domradio.de: Welche Kraft geht denn vom Heiligen Geist und damit auch vom Pfingstfest aus, um das Leben dieser stillen Migranten zu erneuern?

Bischof Ipolt: Der Geist Gottes vereint die Menschen verschiedener Sprachen, und sie verstehen sich. Sie hören das Wort Gottes – wir hören ja diese wunderschöne Erste Lesung aus der Apostelgeschichte am Pfingstfest: Das ist für mich das große Bild und die Vision für die Menschen in Europa, für die stillen und die öffentlichen Migranten, nämlich dass wir trotz verschiedener Sprachen im Heiligen Geist zueinander geführt werden. Und dazu trägt Renovabis bei, durch praktische Hilfe und geistliche Zeichen wie das Beten der Pfingtsnovene (Anmerkung der Red.: neuntägiges Gebet vor Pfingsten).

Das Gespräch führte Bernd Knopp.


Quelle:
DR