Die Kirchen setzten sich nicht mit dem tatsächlichen Programm der AfD auseinander, sondern diffamierten die Partei auf der Basis falscher Medienberichte, sagte Bundessprecher Jörg Meuthen am Montag vor Journalisten in Berlin: "Die reden mit jedem Menschen auf der Welt, nur mit den bösen AfDlern reden die nicht, das ist absurd."
Kritik an Kardinälen Marx und Woelki
Obwohl die Partei permanent ihre Gesprächsbereitschaft betone, stellten sich die Kirchenleitungen nicht dem Dialog, so Meuthen weiter. Namentlich nannte er die katholischen Kardinäle Reinhard Marx und Rainer Maria Woelki. Hier habe es erst kürzlich Anfragen "über eine ZDF-Journalistin" gegeben nach einem Gespräch mit AfD-Politikern, doch diese habe sich "sofort bei beiden einen Korb abgeholt". Meuthen erwähnte außerdem den evangelischen Bischof Markus Dröge: "Der behauptet, wir seien nicht gesprächsbereit, obwohl er es besser wissen muss." Offizielle Gesprächsanfragen der AfD selbst an die Kirchenleitungen habe es bisher allerdings nicht gegeben.
Verbaler Angriff auf Käßmann
Zudem griff er die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, für ihre Äußerungen über die AfD beim Kirchentag an, um die es zuvor durch eine Falschdarstellung in sozialen Netzwerken viel Wirbel gegeben hatte.
Käßmann hatte die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate scharf kritisiert und sie in den Zusammenhang mit dem Arierparagrafen gestellt. Meuthen verwies auf die demografische Entwicklung in Deutschland und sagte, Käßmann sei sicher nicht eine "aufrichtige Christin und klug". Ihr Vergleich mit Programmatik der Nationalsozialisten entbehre jeder Grundlage. "Man könnte das schon fast als krank bezeichnen", sagte er.
Auf Nachfrage ergänzte Bundesvorstandsmitglied Armin Paul Hampel, er habe nach dem Parteitag in Köln ein Gesprächsangebot aus der evangelischen Kirche erhalten. Dort hatte Hampel zum Kirchenaustritt aufgefordert mit den Worten "In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein". Dies sei eine Reaktion auf das Motto "Unser Kreuz hat keine Haken" gewesen, unter dem auch die Kirchen zu Demonstrationen gegen den Parteitag aufgerufen hatten. Damit ein Gespräch in vernünftigem Rahmen möglich sei, müsse die Kirche diese Formulierung aber erst zurücknehmen, betonte Hampel.
Vorwurf: Politisierung der Kirchen
Insgesamt gebe es derzeit eine starke Politisierung der Kirchen, kritisierten Hampel und Meuthen außerdem. Diese spalte das Land und auch die Gemeinschaft der gläubigen Christen. Gerade die Kirchenleitungen sollten sich auf Fragen des Glaubens konzentrieren und nicht Politik machen.
Die Bundessprecherin der "Christen in der AfD", Anette Schultner, sagte mit Blick auf ihre Teilnahme an einem Podium beim Evangelischen Kirchentag in der letzten Woche, sie habe nicht den Eindruck gehabt, dass man wirklich am Dialog interessiert gewesen sei. Die Positionen der AfD seien bewusst verkürzt dargestellt worden, und auch Bischof Dröge "hat mit mir gesprochen wie ein politischer Gegner und nicht wie ein Kirchenmann".
Kirchenpräsident: AfD-Positionen nicht mit Christentum vereinbar
Der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher bewertet es unterdessen als gefährlich und problematisch, wenn Christen die AfD unterstützen oder AfD-Mitglieder sich für Aufgaben in der Kirche bewerben. "Von der Tendenz her halte ich die Grundorientierungen der AfD mit den Orientierungen der Kirche für nicht vereinbar", sagte Heimbucher der in Ostfriesland erscheinenden "Rheiderlandzeitung" (Montag).
Die AfD verkenne, wie wichtig ein geeintes Europa für den Frieden ist. Sie fördere ein generelles Misstrauen gegen Flüchtlinge und Zugewanderte. Ferner trage sie dazu bei, das Gedankengut von Neonazis hoffähig zu machen, erläuterte Heimbucher: "All dies müssen nach meiner Überzeugung Christen entschieden ablehnen."
Christen sollten das Gespräch mit Sympathisanten der AfD suchen und ihren Positionen entgegentreten, forderte der Kirchenpräsident.
Grenzen beachten
Allerdings gebe es auch Grenzen: "Wer den Holocaust verharmlost, antisemitische Vorurteile verbreitet oder Halbwahrheiten und Gerüchte in die Welt setzt, mit dem würde ich mich nicht zum Gespräch zusammensetzen." Ein Mitglied der rechtspopulistischen Partei, das eine Aufgabe in der Kirche übernehmen wolle, müsse sich "zumindest sehr deutlich fragen lassen, ob seine politischen Positionen mit dem Auftrag der Kirche vereinbar sind".
Zur Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer gehören 145 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu mit knapp 177.000 Mitgliedern. Die meisten Gemeinden gibt es im nordwestlichen Niedersachsen.