Probleme und Lösungen beim digitalen Nachlass

Das Online-Leben nach dem Tod

Ein Berliner Gericht hat entschieden, dass eine Mutter nicht auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter zugreifen darf. Das US-Unternehmen verweist auf Datenschutz. Grundsätzlich ist es wichtig, seinen digitalen Nachlass frühzeitig zu regeln.

Digitaler Nachlass / © Stephan Jansen (dpa)
Digitaler Nachlass / © Stephan Jansen ( dpa )

Graues Titelbild, schwarz-weißes Porträt-Foto und Rosen-Emoticons in den Kommentarspalten: Auf der Facebook-Gedenkseite nehmen Freunde Abschied. Die Verstorbene hat sich das so gewünscht, die Eltern haben es umgesetzt. Die Digitalisierung macht es möglich - und nötig. Zu einem Erbe gehört heute auch, den digitalen Nachlass zu verwalten. Das erweist sich aber oft schwieriger als gedacht.

Wie lautet das Passwort? Welche Accounts sind noch aktiv? Im Internet abgeschlossene Rechte und Pflichten gehen auf den Erben über. So könnte eine Online-Auktion oder eine Urlaubsrechnung noch ausstehen. "Die wenigsten Verträge enden mit dem Tod automatisch", heißt es im Spezial-Heft "Nachlass-Set" des "Finanztest".

Zugangsdaten auflisten und hinterlegen

Um den Angehörigen Mühen zu ersparen, raten Experten dazu, regelmäßig die eigenen Online-Aktivitäten zu kontrollieren. Dazu zählt, ungenutzte Dienste, Newsletter oder Verträge zu beenden. Jeder sollte Datenhygiene betreiben und von Zeit zu Zeit Daten löschen, die nicht mehr benötigt werden. Besonders private E-Mail-Postfächer sollten aufgeräumt werden.

Außerdem sei es sinnvoll, sich klar darüber zu werden, wie nach dem eigenen Tod mit Inhalten umgegangen werden soll. Häufig helfe es schon, wenn Zugangsdaten aufgelistet und sicher hinterlegt würden, heißt es im Ratgeber-Heft, das Formulare dafür beinhaltet, die auch online unter www.test.de/nachlassformulare-pdf abrufbar sind.

Digitalen Nachlass per Testament regeln

Praxisnahe Hilfestellungen hat auch das Portal "Silver Tipps" ins Internet gestellt. Der Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB) verweist zudem auf das elektronische Abmeldungsportal, das viele Bestatter anbieten, damit es Angehörige später leichter haben.

Für Klarheit sorgt laut Finanztest auch derjenige, der seinen digitalen Nachlass per Testament regelt. Der Nutzer könne so bestimmen, welche Konten gelöscht, welche Daten nicht zugänglich gemacht werden sollen oder ob er eine Person damit beauftragt, sich um seine Wünsche zu kümmern. Wichtig ist dabei, die Regeln für ein korrektes Testament einzuhalten: handschriftlich verfassen, klar formulieren und unterschreiben. Bei komplexen Wünschen sollte die Ausgestaltung mit Hilfe eines Anwalts oder Notars erfolgen.

Unklar, ob E-Mails eingesehen werden dürfen

Ohne eine solche Hinterlassenschaft können schnell Probleme auftauchen: Nutzerkonten könnten zum Beispiel nicht gelöscht werden. Die Erben müssen sich dann an den Dienstleister wenden. "Ein stichprobenartiger Marktcheck hat gezeigt, dass meist eine Kopie der Sterbeurkunde und ein Erbschein eingereicht werden müssen", erklärt Barbara Steinhöfel von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Das Problem: Einen Erbschein gibt es nur für das komplette Erbe - und nicht nur beispielhaft für den Twitter-Nachlass. "Außerdem erkennt man das ganze Erbe an, wenn man einen Erbschein beantragt", so die Expertin.

Aber selbst mit den richtigen Unterlagen kann es passieren, dass man nicht weiterkommt: "Nach geltendem Recht ist unklar, ob der Erbe einen Anspruch hat, die E-Mails einzusehen", heißt es in "Finanztest". Der Provider könne es mit dem Hinweis auf das Telekommunikationsgeheimnis verweigern, um die Personen zu schützen, mit denen der Verstorbene Kontakt hatte.

Immer mehr Verträge digital

Die Verbraucherschützer raten Erben, die Zugriff auf E-Mails des Verstorbenen haben, diese zu sichern und das Postfach erst nach dem Ende der regelmäßigen Verjährungsfrist zu löschen - die kann unter Umständen fast vier Jahre lang sein. "Außerdem können per Mail immer wieder finanzielle Verpflichtungen oder wirtschaftliche Kontakte auftauchen", so Steinhöfel.

Laut Verbraucherzentrale wird die Problematik des digitalen Nachlasses zukünftig noch vielfältiger, weil immer mehr Verträge und Inhalte digitalisiert würden. Wer soll die Bilder erhalten, die einmal in der Cloud gespeichert wurden? Wem soll der Blick ins eigene Paypal-Konto erlaubt werden? "Die Politik und auch die weltweit agierenden Anbieter müssen sich mit den unterschiedlichen Aspekten des digitalen Nachlass befassen und sie regeln", fordert Steinhöfel. Bisher sei der User allein gelassen mit der Aufgabe, sein Online-Leben nach dem Tod zu regeln.

"Urteil ist richtig"

Dennis Schmolk, Experte für digitalen Nachlass, begrüßt das Urteil des Berliner Kammergerichts zum virtuelle Erbe einer verstorbenen Facebook-Nutzerin: "Das Urteil ist inhaltlich richtig, und ich hatte gehofft, dass es so ausgeht", sagte Schmolk dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Gericht habe schwerwiegende Argumente abgewogen, sagte Schmolk: Das Recht der Eltern, die Todesumstände der Tochter zu klären, gegen die Vertraulichkeit der Kommunikation von und mit der Tochter. Schmolk betreibt seit 2015 zusammen mit Sabine Landes das Informationsportal "digital-danach.de".

"Stellen Sie sich eine geheime Facebook-Gruppe vor, in der kritische Inhalte besprochen werden - zum Beispiel unter Seelsorgern oder auch Menschen mit abweichenden Sexualinteressen: Jeder Erbe eines Facebook-Nutzers hätte dann Zugriff auf Inhalte und Identitäten der anderen Mitglieder", sagte Schmolk. Dasselbe treffe auch auf Chatnachrichten zu. "Auch dieser Austausch war als vertraulich angelegt."

Die Diskussion geht weiter

Generell erkennt Schmolk keine großen Mängel oder Lücken in der Gesetzgebung, weil das Erbrecht auch das digitale Leben umfassend regele. Dennoch habe die Gerichtsentscheidung einen bedeutsamen Stellenwert, weil sie das erste Urteil zu digitalen Nachlassfragen sei, erklärte Schmolk. Man solle den Fall aber auch nicht überstrapazieren. Wegen einschränkender Merkmale - zum Beispiel, weil die Tochter zum Zeitpunkt ihres Todes minderjährig war - könne man nicht von einem Präzedenzfall sprechen. Das Kammergericht ließ die Revision beim Bundesgerichtshof zu.

Schmolk betonte die Wichtigkeit, das Thema der digitalen Nachlass-Verwaltung zur Diskussion zu stellen: "Das darf keine abgeschlossene technische oder juristische Debatte bleiben." Digitale Nachlässe seien ein gesellschaftliches Thema, das alle angehe. "Ich denke, dass wir über Fragen des Datenschutzes, der Privatsphäre, dem Recht an Daten und auch deren Vererbbarkeit als Gesellschaft noch viel stärker diskutieren müssen - nicht nur vor Gericht", sagte Schmolk, der auch als Referent und Berater zum Thema arbeitet.


Quelle:
KNA , epd