domradio.de: Nach den Holzkreuzen haben Unbekannte dieses Mal Schweinekadaver auf dem Moscheebauplatz platziert. Die Teile waren auf dem Gelände verteilt und zum Teil auf Stöcke aufgespießt; eine ziemlich unappetitliche Angelegenheit. Ist das für Sie die nächste Eskalationsstufe?
Winfried Weinrich (Leiter des katholischen Büros im Bistum Erfurt): Die Form, die hier gewählt wurde, ist für mich unerträglich. Also ja, das ist eine neue Eskalationsstufe im Vergleich zu dem, was wir vor ein paar Monaten mit den Holzkreuzen erlebt haben. Hier werden nämlich das religiöse Empfinden die religiösen Gefühle der Muslime verletzt.
domradio.de: Nun sind Sie nicht unmittelbar von der Attacke betroffen. Haben Sie dennoch das Gefühl, vermittelnd tätig werden zu müssen?
Weinrich: Die Ahmadiyya-Gemeinde weiß schon seit längerem, seitdem sie auch die Absicht hat in Erfurt eine Moschee zu errichten, dass sie von Seiten der Kirchen unterstützt wird. Die Kirchen stehen zu diesem Moscheeneubau in Erfurt. Das haben wir auch immer wieder öffentlich gesagt, ich hab das betont und auch beispielsweise der Ortsbischof Ulrich Neymeyr. Wir stehen hinter der Ahmadiyya-Gemeinde und werden auch in diesen Tagen zu ihr stehen. Zudem werden wir hier weiter für Religionsfreiheit und deren Ausübung, auch für die angesprochene Gemeinde, kämpfen.
domradio.de: AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland der hat sich von der Aktion mit den Schweinekadavern distanziert. Allerdings hat er auch gesagt, dass es in Erfurt Bürger gebe, die gegen den Bau einer Moschee ihrer Gemeinde protestieren. Das verstehe und billige er. Muss man solche Bedenken der Menschen gegen Moscheen verstehen und billigen?
Weinrich: Ganz klar: Wir haben ein Grundgesetz, eine Rechtsordnung, ein Verständnis auch in Deutschland, wonach Religionsfreiheit garantiert wird. Religionsfreiheit gilt nicht nur für die christlichen Kirchen oder die jüdische Landesgemeinde, sondern auch für Muslime. Von daher habe ich für diese Position kein Verständnis. Man muss dazu sagen: Die Moschee wird nicht einmal in einem ausschließlichen Wohngebiet gebaut. Von daher muss ich sagen, dass ich für diesen Protest kein Verständnis habe.
domradio.de: Haben Sie konkrete Argumente für den Moscheebau?
Weinrich: Grundsätzlich hat jeder Mensch unabhängig von seiner Religion das Recht eine Religion auszuüben. Das betrifft nicht nur die Ausübung in den eigenen vier Wänden, denn Religion hat auch immer eine öffentliche Dimension. Das bedeutet, dass es auch öffentlich zugängliche Räume für die Muslime geben darf und soll und das ist natürlich auch für die Ahmadiyya-Gemeinde notwendig. Von daher ist die Lage mit Blick auf unsere Grundrechte klar geregelt und da sollten wir uns auch nicht irritieren lassen. Da gibt es nichts zu verhandeln.
Das Interview führte Hilde Regeniter.