Zum "Tag der Organspende" an diesem Samstag fordert die Stiftung Organtransplantation klare gesetzliche Regeln, nach denen Kliniken potenzielle Organspender sofort melden müssen. "In Spanien oder auch in den USA gilt die Organspende als Selbstverständlichkeit und ist in den Klinikalltag integriert. Es muss endlich auch bei uns ein Ruck durch die Gesellschaft, die Klinikbetriebe und die Politik gehen", sagte der Medizinische Stiftungsvorstand Axel Rahmel den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" (Samstag).
In Deutschland gebe es zu viele Interpretationsspielräume. Rahmel kritisierte auch, dass Kliniken zwar seit 2012 verpflichtend Transplantationsbeauftragte benennen müssen, aber diese das Amt teils aufgebürdet bekämen. "Wir brauchen aber engagierte Transplantationsbeauftragte", betonte der Stiftungsvorstand. Sie müssten geschult und für ihre Aufgabe freigestellt werden. Ein Problem sei auch, dass die Pauschalen der Krankenkassen die aufwendige Betreuung der Spender im Einzelfall nicht abdeckten. "Das ist der Wertschätzung bei einer Klinikverwaltung nicht gerade zuträglich."
Zu wenig Organspender in Deutschland
Seit Jahren bewegt sich die Zahl der Organspenden in Deutschland auf einem Tiefstand. 857 Menschen haben sich 2016 nach ihrem Tod insgesamt 2.867 Organe entnehmen lassen. Demgegenüber warten hierzulande etwa 10.000 Menschen auf Leber, Herz, Lunge oder Niere.
Im EU-Vergleich ist Deutschland Schlusslicht bei der Spendenbereitschaft. "Dabei sind die Zahlen der Wartelisten fast schon beschönigend. Sie geben nicht das ganze Dilemma wieder", sagte Rahmel. "Es muss endlich auch bei uns ein Ruck durch die Gesellschaft, die Klinikbetriebe und die Politik gehen", sagte Rahmel.
Resignation
Weil für viele Patienten die übliche Wartezeit von etwa sechs bis sieben Jahren auf eine neue Niere zu lang sei, hätten sie sich mit der Krankheit arrangiert. Auch viele Herzpatienten lebten mit Herzunterstützungssystemen - "unter anderem, weil die Chancen auf ein Spenderorgan so schlecht stehen", sagte der Stiftungsvorstand.
"Tatsächlich gibt es entsprechend einen Rückgang von Patienten, die auf die Warteliste aufgenommen werden", sagte Rahmel. Von den mehr als 50.000 Dialysepatienten zum Beispiel seien nicht einmal 8.000 auf der Liste registriert.
Politik und Medizin werben für mehr Organspenden
Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) betonte derweil am Samstag in Erfurt auf dem Domplatz: "Organe zu spenden, heißt Leben zu schenken."
Zugleich betonte sie, im Fall des eigenen Todes oder des Todes eines nahestehenden Menschen Organe zu spenden, sei keine einfache Entscheidung. Deshalb seien umfassende Informationen darüber notwendig. Zudem sei Vertrauen erforderlich, dass die Medizin verantwortungsvoll mit Organspenden umgehe und diejenigen Menschen sie erhielten, die sie am dringendsten brauchen.
Aus Skandalen lernen
In dieser Hinsicht "lief in der Vergangenheit nicht alles so, wie es sein sollte", räumte Werner mit Blick auf die Organspendeskandale der vergangenen Jahre ein.
Die Politik und die Kliniken hätten aber darauf reagiert und unabhängigere Kontrollen und transparentere Verfahren eingeführt. Deshalb könnten die Menschen heute wieder mehr Vertrauen in die Organtransplantation haben.
Bereitschaft scheint zu steigen
Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der Krankenkasse Barmer liegt die grundsätzlich bekundete Bereitschaft in der Bevölkerung zur Organspende bei über 80 Prozent und damit deutlich höher als der Anteil derjenigen, die tatsächlich einen entsprechenden Ausweis haben. Auf die Frage, ob sie persönlich zur Organspende bereit seien, antworteten demnach 30 Prozent "bestimmt", "wahrscheinlich ja" sagten weitere 21 Prozent und "eventuell" erklärten 31 Prozent. Nur knapp jeder Fünfte sagte, er sei "wahrscheinlich nicht" oder "bestimmt nicht" zu einer Organspende bereit.
Befragt wurden 1.000 Versicherte im Alter von 14 bis 64 Jahren. Der höchste Anteil an Organspendeausweisen findet sich demzufolge bei den 18- bis 25-Jährigen mit 46 Prozent, während sonst nur knapp jeder Dritte ein solches Dokument besitzt.
Patientenschützer warnen vor zu viel Druck in Sachen Organspende
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt indes vor zu viel Druck auf Patienten, Angehörige und Transplantationsbeauftragte. Gerade diese "dürfen nicht unter den Druck geraten, vor allem an der Zahl der von ihnen initiierten Organspenden gemessen zu werden", sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Entscheidend ist es, den Willen der Patienten zu beachten und die Ängste der Angehörigen", so Brysch.
Wenn die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) eine "engagierte" Arbeit von den Beauftragten erwarte, sehe er eine große Gefahr, diese vor allem "zu Akquisiteuren zu degradieren", kritisierte Brysch weiter. Doch ein Transplantationsbeauftragter müsse in diesen "Extremsituationen der Trauer" vor allem sensibel sein und "in erster Linie der Ethik verpflichtet".
Internationaler Vergleich nicht unbedingt vergleichbar
Kritisch bewertete Brysch in diesem Zusammenhang auch die Forderung der DSO, klare gesetzliche Regeln zu schaffen, nach denen Kliniken potenzielle Organspender sofort melden müssen.
Auch dadurch werde der Druck unnötig erhöht. Dass Axel Rahmel hier Spanien und die USA als Vorbilder nenne, sei irreführend, denn dort gebe es ganz andere Rahmenbedingungen: Während man in Deutschland einer Organspende ausdrücklich zustimmen müsse, reiche es dort, dieser nicht ausdrücklich widersprochen zu haben, so der Patientenschützer.