Als "Liebesgeschichte" bezeichnete der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann das Verhältnis von Altkanzler Helmut Kohl zum Kaiserdom der Stadt. Dort, wo Kohl als kleines Kind Schutz vor den Fliegerbomben des Zweiten Weltkriegs fand und er als Kanzler Staatsoberhäupter aus aller Welt hinführte, ist nun am Samstag die Totenmesse geplant.
Es ist schlicht Zufall, dass wenige Meter von der größten romanischen Kirche der Welt entfernt, im Historischen Museum der Pfalz, noch bis 24. September die Ausstellung "Weltbühne Speyer - Die Ära der großen Staatsbesuche" läuft. Auch das eine Hommage an Kohl, dessen liebstes Ehrenamt das des Chefs der "Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer" war.
Heimat und Europa
Die Pläne zu den Beerdigungsfeierlichkeiten ähneln der Inszenierung nach dem Tod von Altkanzler Konrad Adenauer vor ziemlich genau 50 Jahren. An dem Gottesdienst, den Kardinal Josef Frings am 25. April 1967 im von Adenauer geliebten Kölner Dom feierte, nahmen 15 Staatspräsidenten und Regierungschefs teil. Tausende standen am Rhein-Ufer, als Adenauers Sarg mit dem Schnellboot Condor nach Rhöndorf gebracht wurde. Hunderttausende verfolgten die Feierlichkeiten am Fernseher.
Kohls Verbindung mit dem Kaiserdom war ähnlich eng wie die Adenauers zum Kölner Dom. Für den Kanzler aus der Pfalz war die 1061 geweihte Kathedrale "ein Stück Heimat" und ein Symbol der Zusammengehörigkeit Europas. Beides dürfte bei den Beerdigungsfeierlichkeiten eine große Rolle spielen. Auch Kohl soll wie Adenauer mit dem Schiff über den Rhein an den Ort der Beisetzung gebracht werden.
Kaiser und Krypta
Im Dom, sagte der Historiker Kohl, spüre man die Einheit deutscher und europäischer Geschichte besonders eindringlich. Schließlich war Speyer vor 1.000 Jahren eine deutsche Hauptstadt - zentraler Ort der salischen Kaiser. Hier fanden sie auch ihre Grabstätte: Acht Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, drei ihrer Gemahlinnen und eine Prinzessin ruhen in der Krypta.
Zugleich ist Speyer Austragungsort vieler Reichstage und ein Symbol für deutsch-französische Kriege und Aussöhnung: Der schlimmste Schaden traf den Dom 1689, als im Pfälzischen Erbfolgekrieg die Truppen des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. das Gotteshaus anzündeten.
Nach dem Zapfenstreich
Als Kohl 1943 als 13-Jähriger aus der zerbombten Industriestadt Ludwigshafen ins nahe Speyer evakuiert wurde, erlebte er das Gotteshaus als Schutzraum bei Fliegerangriffen. 1998 bildete die rote Sandsteinfassade des Doms die Kulisse für den Großen Zapfenstreich, mit dem Kohl Abschied vom Kanzleramt nahm. Im Juli 2001 fand der Trauergottesdienst für seine erste Frau, die Protestantin Hannelore Kohl, in der katholischen Kathedrale statt. Auch mit seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter besuchte Kohl die Kathedrale.
Aus Kohls Umfeld, so schreibt es an diesem Montag die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", wurde vor einigen Jahren die Bitte ans Bistum herangetragen, den Kanzler im Dom bestatten zu können. Allerdings stand demnach das Kirchenrecht dem Wunsch dagegen. In der Bischofskirche können nur Bischöfe bestattet werden.
Beispiel der Aussöhnung
2015, so schreibt es "Bild", wurde zwischen Familie, Bistum und Stadt der Plan verabredet, Kohl auf dem Domherrenfriedhof neben der Friedenskirche Sankt Bernhard am Rande der Altstadt beizusetzen. Auch dieser Ort ist geschichtsträchtig und verbindet Anliegen, die Kohl wichtig waren: zum Beispiel die deutsch-französische Aussöhnung. Zur Grundsteinlegung 1953 kamen mit Heinrich von Brentano und Robert Schuman die Außenminister beider Länder. Und Kohls politisches Vorbild: Konrad Adenauer.
Doch Kohl bleibt auch ohne Grab im Dom präsent: 2015 hatten Wiesemann und das Domkapitel den Altkanzler für seine Verdienste geehrt. In der Vorhalle wurde eine Gedenkplatte enthüllt. Sie trägt die Aufschrift: "In Würdigung der Verdienste von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl um den Dom zu Speyer als Sinnbild für die christlichen Wurzeln eines geeinten Europas."